Samstag, 20. März 2010

Deutschland: Lena Meyer-Landrut – Satellite


Deutschland ist (zumindest zum größten Teil) schon von Anfang an mit von der Partie in Sachen Eurovision. Und genau so lange hadert Deutschland mit seinem Schicksal in diesem Wettbewerb, und der Rest Europas mit vielen deutschen Beiträgen, vor allen Dingen in den letzten Jahren, wo sich eine heillose Ratlosigkeit in Sachen Vorentscheidsmodus und -bestückung breitgemacht hat. Vom plüschig-schwulen Dreier in den Jahren 2006 und 2007 bis zur Direktnominierung im letzten Jahr, wo uns Alex Christensen in beeindruckender Art beweisen durfte, daß er es eben nicht besser kann, bis hin zum Großereignis in Zusammenarbeit mit dem Kinderbelustigungssender VIVA, das dann dank Stefan Raabs Eitelkeit zu keiner Wiederholung kam.
Und ausgerechnet dieser Stefan Raab soll dann dieses Jahr wieder für Deutschland die Kohlen aus dem Feuer holen. In einer Zusammenarbeit seines Haussenders PRO 7 mit der ARD wurde heuer die Castingshow „Unser Star für Oslo“ ins Leben gerufen, in der in acht Sendungen (davon zwei in der ARD), zuerst Interpreten, dann Lieder für sie gefunden werden sollten. Hat mich schon bei der Bekanntgabe dieser Auswahlmodus etwas befremdet, bewahrheiteten sich dann mit Einsetzen der Sendereihe meine Befürchtungen: Eine stinknormale Castingshow ohne jeglichen ESC-Bezug (nein, man muß nicht wieder die drei Damen vom Grill aus Skandinavien ihre 60er/70er-Jahre-Schlager trällern lassen, aber ein ausgedehnterer Blick auf die heurige Konkurrenz wäre doch wohl drin gewesen statt dieser willkürlichen Mini-Auswahl in der allerletzten Sendung inklusive gänzlich unangebrachter Raab’scher Gehässigkeit), zwar ohne unterschichtenbeglückende Bohlen-Häme, aber auch ohne eigene Note.
Statt dessen wieder Charts-Karaoke von U-25ern (und nur solchen, damit die Generation Klingelton auch nicht abschaltet). Und in der letzten Sendung schließlich vier neue Lieder, eines so nichtssagend wie das andere, woraus dann das Oslo-Lied gekürt werden mußte. Daß darunter nicht eines auf Deutsch war, muß man wohl angesichts dieses Sendeformats nicht eigens erwähnen.
Und so gewann dann erwartungsgemäß die Beinaheabiturientin Lena Meyer-Landrut weniger erwartungsgemäß mit „Satellite“ (Satellit), das sie zwar kaum singen kann, weil sie erstens eben genau das kann: nämlich nicht richtig singen und zweitens die Melodie auch viel zu tief für ihre Stimme ist. (Das Lied selbst ist übrigens in Studioversion gar nicht mal so übel.) Aber dafür sieht sie ja süß aus, und das reicht nach der Meinung des deutschen Publikums im Altersschnitt zwanzig minus vollkommen aus, um eine Spitzenplazierung damit zu ergattern. Nur leider ist der von Unterschichtenfernsehen und Formatradio gänzlich deformierte deutsche „Geschmack“ in der Regel nicht mit dem des Auslands kompatibel, und daher braucht man sich hernach auch nicht wundern, wenn beispielsweise die Kroaten vor uns landen, die eben nicht nur aufs Äußere, sondern auch aufs Stimmliche achten oder die Serben, die nicht verzweifelt versuchen, irgendwelchen Angelsachsen nachzueifern, sondern auf landestypische Töne aus dem Munde fähiger Sänger setzen. Und wenn man wissen will, wie ein vernünftiges, international vorzeigbares Promovideo auszusehen hat, frage man die Bulgaren. Der böse Osten aber auch immer…
Ach ja, die Chancen für Deutschland sehen meines Erachtens nicht so übermäßig rosig aus. Gut, es ist dieses Jahr wahrlich viel Müll an Beiträgen dabei, aber das meiste (wenn nicht gar alles) davon wird in den Semis ausgesiebt, und unter 24 Profis (na gut: 23, der britische Vertreter ist auch nur ein Castingopfer) werden das niedliche Gehoppel und die permanente Gesangsverweigerung einer dann hoffentlich Wirklichabiturientin untergehen. Man stelle sich also auf etwa Platz fünfzehn plus ein. Und nächstes Jahr treten potentielle Kandidaten bitteschön sofort mit ihrem Lied an, damit wir von Anfang an wissen, womit wir es zu tun haben!


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist schön, daß Du auch immer mal wieder einen Haken zu der Generation Ü40 schlägst (z.B. "Drei Damen vom Grill").
Sehr schön; Deine Erklärung der osteuropäischen Erfolgsformeln.
Und schön, daß Du das aktuelle ESC-VE-Konzept der Deutschen nicht in Bausch und Bogen verteufelst.
Aber am Wichtigsten ist mir, daß Du es "wagst" auf die stimmlichen Unzulänglichkeiten der deutschen Starterin deutlichst hinzuweisen. Dieses scheint mir beim derzeitigen-(wer-weiß-wie-lange-noch-bald-ist-schon-Ostern-und-alles-freut-sich-auf-die-Ansprache-des-deutschen-Papstes)-Lena-Hype immer in Vergessenheit zu geraten.