Donnerstag, 16. Mai 2024

Lieber Isaak, lieber NDR!

Jetzt kann ich endlich mal über etwas sehr Erfreuliches schreiben, auch wenn ich diesen Brief damit anfange, mich vor Euch auf den Boden zu werfen und um Vergebung zu bitten. Ja, ich hab nicht dran geglaubt, dass dieses Ergebnis mit diesem Beitrag möglich ist. Ich hatte in der VE fünf Kandidaten, die ich als geeigneter eingeschätzt habe, Deutschland beim ESC zu vertreten. Keiner von denen ist es geworden, sondern Isaak, Du hast sie mit Deiner Stimmgewalt alle weggefegt. Ich war anfangs extrem geknickt, weil mein Lieblingsbeitrag, den ich mit vielen, vielen anderen Fans geteilt habe, es nicht geschafft hat, habe Dir aber dennoch zunächst die Stange gehalten. Dann kamen ein paar aus meiner Sicht ziemlich missglückte Interviews / Auftritte und auch noch ein paar andere Dinge, nach denen ich dann leider von dieser Stange abgerutscht bin. 

Jetzt muss man natürlich auch sagen, dass das "Rohmaterial", was wir nach der Vorentscheidung hatten, nicht viel Grund zum Optimismus bot. Die Stimme war und ist super, keine Frage, der Song hatte zwar eine gute Hook, war aber ansonsten mal wieder radiofreundlich (wie wir wissen, inzwischen ein Unwort in der deutschen ESC-Bubble), und was das Staging angeht, gaben die Erfahrungen der letzten Jahre bekanntlich wenig Grund zum Optimismus. Also alles wie immer, sollte man meinen.

Eigentlich hätte man es besser wissen müssen, immerhin sah die EuroJury ja Deutschland auch schon viel weiter vorne, als wir das alle taten. Aber die hatten dafür einige andere Verwerfungen drin, lieber mal pessimistisch sein, inzwischen ist eh schon alles egal, mitfiebern unnötig, man wird eh nur enttäuscht. Kennen wir doch alles, und der Deutsche per se ist ja aus Prinzip ein pessimistischer Meckermeister. Ich bin Deutsche, und ja, ich bin auch eine pessimistische Meckermeisterin.

Aber ich habe Dich und Euch unterschätzt. Als die Bilder von der ersten Probe kamen, dachte ich schon: "Habemus STAGING!" Das sah, auch wenn das viele anders sehen, wirklich nicht schlecht aus. Auch der 30-Sekunden-Clip hat mich überzeugt. Dann kam das erste Semi. Ich hab den Auftritt gesehen und dachte: "Sch****, das wird wieder nix." Mein Hauptproblem war, dass Du, lieber Isaak, zwar völlig bei Dir warst, aber Du warst so sehr bei Dir, dass Du kaum mal in die Kamera geguckt hast. Prompt kam die pessimistische Meckermeisterin wieder durch, zumal das auch nicht die beste Gesangsleistung war, die ich von Dir gehört habe. 

Aber was ein echter Westfale ist, der ist geerdet, weiß was er will und wo er steht und LIEFERT, wenns drauf ankommt. Und geliefert hast Du im Finale, aber hallo! Das war der mit Abstand beste Auftritt, den ich von Dir überhaupt gesehen habe. Du hast um Dein Leben gesungen, und Du hast uns damit abgeholt. Nach dem Auftritt haben wir uns alle angeschaut und gesagt: "Das war richtig gut. Damit wird er auf keine Fall Letzter." Und dann kam die Punktevergabe, und wir trauten unseren Augen kaum, dass nicht nur Germany fast durchgehend auf der linken Seite zu finden war, sondern auch nach der Hälfte der Jurywertung mehr Punkte hatte als die vier Beiträge davor zusammen. Am Ende standen 117 Punkte zu Buche, davon 99 aus der Jurywertung und 18 vom Televoting. Und obwohl die 18 vom Televoting nicht so viel sind, ist es mehr, als jeder der vier Beiträge davor einkassiert hat. Um die 117 nochmal in eine andere Beziehung zu setzen: Die Beiträge von 2013-17 sowie 2019-23 (insgesamt 9 Beiträge) haben zusammen 125 Punkte erzielt. Da sind Deine 117 schon wirklich eine tolle Hausnummer. Für uns Fans hat sich dieser 12. Platz angefühlt wie eine Erlösung nach Jahren der Durststrecke. Und dafür kann man nicht genug dankbar sein.

Natürlich heißt das jetzt nicht, dass man sich darauf ausruhen sollte. Die 18 Punkte im Televoting sind sicherlich noch ausbaufähig, aber immerhin hat man dieses Jahr augenscheinlich schon mal einiges richtig gemacht, auch wenn das viele aus der deutschen Bubble nicht für möglich gehalten haben. Vor allem hat man in einem Bereich die von Thomas Mohr geforderte Exzellenz präsentiert, und das war: Die Stimme. Es gab in diesem Jahrgang so einige sehr gute Stimmen, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, sind die zumindest im Finale auch alle belohnt worden. So darf es gern weitergehen. Das heißt: Gutes beibehalten, das andere verbessern, dann läuft die Sache.

Isaak, man konnte Dir während Deiner Zeit in Malmö dabei zugucken, wie Du an Deiner Aufgabe gewachsen bist. Was ich da wirklich toll finde: Du hast Dich in nichts reinziehen lassen. Du hast einfach Dein Ding gemacht, in Dir geruht und hast Dich bzgl. Israel nach allem was ich weiß komplett neutral und korrekt verhalten. Das kann man Dir gar nicht hoch genug anrechnen. Den Lerneffekt hat man auch im Interview nach dem Finale gemerkt, wo Du Dich gefreut hast wie ein Plätzchen, dann aber auch die Frage nach der politischen Stimmung in der Halle und ob Dich das beeinflusst hat höflich aber bestimmt mit "da möchte ich nichts zu sagen" zurückgewiesen hast. Alles richtig gemacht. Du hast in den zwei Wochen in Malmö eine tolle Entwicklung gemacht. Hut ab dafür.

(Wobei ich sagen muss, dass die Frage "Haben die Lack gesoffen" aus dem Heute-Interview im Rückblick auf die Ereignisse eigentlich genau zutreffend war. Aber das nur nebenbei.) 

Es tut mir wirklich, wirklich leid und ich möchte Euch, lieber NDR, und Dich, lieber Isaak, in aller Form um Verzeihung bitten, dass ich an der Möglichkeit dieser Platzierung gezweifelt habe. In all dem Mist des diesjährigen Jahrgangs war das zumindest für uns eine tolle Überraschung, die uns mit allem auch wieder ein bisschen versöhnt hat.

Und dafür kann ich Euch nur von Herzen danken.

1 Kommentar:

Zwelfbungt - Lucas hat gesagt…

Kann ich mich nur anschließen. In den vergangenen drei Jahren habe ich uns etwas überschätzt, nun mit meinem Tipp (16. Platz, was ja auch schon der Wahnsinn gewesen wäre) sogar leicht unterschätzt. Was ich schade finde ist, dass Isaaks Leistung durch die ganze Israel-Thematik in der Medienlandschaft untergegangen ist. So oder so: Toll gemacht, Isaak! Mal schauen, was 2025 bei uns ansteht!