das hier geht, wie das in der Schule üblich ist, an Euch alle, auch wenn ich weiß, dass es nicht alle betrifft. Es betrifft aber genügend und auch viele, von denen ich es nicht explizit weiß, so dass ich die ganze Klasse anspreche. Einige Personen könnte ich hier ausnehmen, drei davon bekommen aber ihren eigenen Brief. Die anderen werden wissen, dass sie nicht gemeint sind, aber es bleibt dann immer noch ein sehr hässlicher Rest übrig.
Es gibt ein berühmtes Zitat von Rosa Luxemburg, das besagt: "Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden". Hier gibt es keine Einschränkung über "aber nur die, der auch gut anders denkt" oder "nur, der richtig anders denkt" oder "nur meine, weil ich anders denke". Dieses Zitat gilt universell. Auch, wenn das manchmal vor Grenzen stößt, weil es Andersdenkende gibt, die ihr Andersdenken genau dafür benutzen wollen, einem diese Freiheit zu nehmen. An dieser Grenze sind wir hier aber nicht.
Es gab einige von Euch, die sich im Vorfeld gegen die Teilnahme von Israel ausgesprochen haben. Das ist völlig legitim und zu akzeptieren. Wenn Ihr das tut, dann müsst Ihr Euch aber auch überlegen, wie Ihr damit umgeht, wenn es dann heißt, Israel darf teilnehmen. Wenn Euch die Nichtteilnahme aus Prinzip so wichtig ist, dann sagt im Vorfeld, dass Ihr nicht am ESC teilnehmen wollt, zieht zurück, gut ist. Wenn Ihr das aber nicht tut, weil der ESC so eine geile Gelegenheit ist, seine eigene Musik zu vermarkten, dann habt Ihr Euch verdammt nochmal an die Regeln zu halten und Euch so zu verhalten, dass Ihr das Event nicht in Misskredit bringt! Was zum Geier ist eigentlich so schwer daran, sein Ego für zwei verdammte Wochen einfach mal zurückzufahren und sich auf das zu konzentrieren, worum es geht, nämlich die Musik und die Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern - aus ALLEN teilnehmenden Ländern?
Ihr fühlt Euch so wahnsinnig gut, weil Ihr glaubt, das Richtige zu vertreten. Ihr seid ja mehr. Dabei habt Ihr Euch aber aufgeführt wie beschissene kleine Schulhofmobber und einer Teilnehmerin, die es ohnehin schon schwerer hatte als Ihr alle zusammen, das Leben zusätzlich noch schwer gemacht. Mega Leistung, richtig geil. Im Ernst: Zum Kotzen.
Es hätte so ein starkes Statement sein können, wenn Ihr Euch alle zusammen mit Eden hingestellt und gesagt hättet : "Wir verurteilen, was in Gaza passiert. Dennoch ist Eden nicht ihre Regierung, sie ist eine Künstlerin wie wir auch, wir sind wirklich united by music." Diese Chance habt Ihr leider verpasst.
Mehr noch: Ihr habt durch Euer Verhalten und Eure Egos und Eure Selbstgerechtigkeit die Idee der Eurovision mit Füßen getreten. Dass Teilnehmer*innen eine andere teilnehmende Künstlerin in dieser Weise mobben, hat es noch nie gegeben und wird es hoffentlich auch nie wieder geben. Ihr hättet ein starkes Zeichen der Solidarität setzen können. Ihr habt es nicht gesetzt.
Wir hatten in diesem Jahr den queersten Jahrgang der ESC-Geschichte. Leider ist Toleranz und Akzeptanz für Queerness nach wie vor alles Andere als eine Selbstverständlichkeit, und die Kommentare unter so ziemlich jedem Artikel über Nemo zeigen, dass da noch ein gigantischer Weg zu gehen ist, bis wir da aus der Hassschleife raus sind. Ich weiß, dass auch derdiedas eine oder andere von Euch in Kindheit und Jugend selbst Ausgrenzung erlebt hat. Aber dann selbst intolerant, inakzeptant und hassend gegenüber einer anderen Person aufzutreten, nur weil sie aus einem Land stammt, dessen Politik einem nicht passt, hat nichts mit künstlerischer Freiheit oder der richtigen politischen Position zu tun, sondern ist das, was es immer war: Ein Arschloch-Move.
An dieser Stelle eine virtuelle Umarmung für alle, die dabei nicht mitgemacht haben und versucht haben, das Motto des ESC 2024 wirklich zu leben. Zum Glück gab es dann doch einige von Euch. Euch gehört dieses Jahr mein Herz, unabhängig von Euren Songs.
Und ich hoffe, nächstes Jahr kann ich genau diesen Satz auch wieder zur gesamten Eurovisionsklasse sagen.
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