Donnerstag, 10. März 2011

Aus der Reihe: Was uns vorenthalten wurde. 2011er-Spezialausgabe Teil 1

Da im heurigen Vorentscheidungsreigen nur noch Schweden aussteht und von dort eh nichts Gutes zu erwarten ist, wird es einmal Zeit, die diesjährige Saison Püree rasieren zu lassen, um festzustellen, daß die Länder Europas entweder den Grand Prix hassen oder zu arm sind, um ihn auszurichten. Daher wurde in den meisten Vorentscheiden zielsicher der größtmögliche Mist zusammengewählt, damit die Delegationen nicht allzu viel Geld im teuren Düsseldorf lassen müssen. Zeit also zu zeigen, wie schön der Grand Raab hätte werden können, wenn man nicht irgendwelche Juries oder sturzbesoffene Zuschauer hätte abstimmen lassen, sondern nach guter alter gallo- oder italoromanischer Manier einmal kräftig darauf geschissen hätte und ohne irgendwelchen Aristokraturfirlefanz einen echten Künstler mit einem richtigen Lied nominiert hätte.

Den Anfang macht wie immer Albanien. Im „Festivali i Kënges“, wo laut importierten kosovarischen Nachwuchstonnen der Sieger immer schon vorher feststeht, sich aber dann doch als jemand anderes herausstellt, sind Fehlentscheidungen ja schon berüchtigt. Obwohl man den Albanern nicht vorwerfen kann, daß sie dann nicht doch das Beste aus dem Gewählten herausholen (wenn man mal von den lächerlichen Übersetzungen ins Englische absieht). Die finale Version von Aurela Gaçes Siegertitel „Kënga ime“ (Mein Lied), das leider für Düsseldorf anglisiert wird und dort als „Feel the Passion“ (Motto für irgendeinen der nächsten Grand Prix’) reüssieren wird, liegt noch nicht vor. Dafür jedoch die Lieder der Unterlegenen in diesem Wettbewerb, die beileibe nicht schlechter waren als Aurela, dafür jedoch nicht von Aurela gesungen wurden.
Beispielhaft soll hier Platz 16 genannt werden: Marsida Saraçi, dem Aussehen nach gestrenge Internatsbetreiberin, wurde zwar mit ihrem Lied „Vetëm s’jemi në botë“ (Wir sind nicht alleine auf der Welt) nur Drittletzte, aber man kann sich vorstellen, wie hoch das Niveau der Beiträge gewesen sein muß, wenn selbst so etwas so weit hinten landet (diesen Satz kann man je nach Bosheit ironisch lesen oder nicht). Leider war dieser Titel für ein Orchester weniger geeignet, in Düsseldorf hätte dieses Lied natürlich von Band viel fetziger geklungen. Wer hören und sehen will, klicke bitte auf den Abspielknopf:




Auch in Belgien beherrscht man die hohe Kunst, aus einer Reihe leidlich annehmbarer Beiträge zielsicher entweder Müll oder allenfalls etwas Nettes (kleine Schwester von – Sie wissen schon…) auszuwählen, womit man dann kräftig baden geht, weil Belgien nun mal nicht Armenien oder die Türkei ist, die auch mit einer furzenden Kuh auf der Bühne mindestens 50 Punkte vom Start weg haben. Heuer war die Prozedur jedoch besonders quälend, weil RTBF in Zusammenarbeit mit AKA Music nur mehr oder minder Amateure (in den meisten Fällen muß man jedoch von Dilettanten reden) auf die Menschheit losließ, für die man dann spenden durfte. Waren 20.000 Euronen beisammen, so ging die Sage, durfte man ins Finale einziehen, um sich dort vor Live-Publikum im Fernsehen landesweit (also Wallonien) zu blamieren. Offenbar saß den Belgiern aber das Portemonnaie lockerer als gedacht, und so waren am Ende 32 Teilnehmer beisammen. Auch nach der Disqualifikation von Thooom! wegen unerwünschter politischer Äußerungen („United Belgium“ – welche Blasphemie für dieses seit 2006 regierungsfreie Land!) sowie von Paul Biss (passender Titel: „Manipulation“) war RTBF die Programmzeit für 30 Finalisten zu schade, so daß erst einmal im Radio eine Qualifikationsrunde vorgeschaltet wurde, woraus schließlich 14 der Laienspieler im Rennen blieben.
Das Finale geriet dann wie zu erwarten zu einem einzigen musikalischen Desaster, wenngleich auch die raren Gemmen um so deutlicher hervorstachen. Sieger wurde schließlich die Acapella-Gruppe Witloof Bay (Chicorée-Bucht) mit ihrem Titel „With Love Baby“ (Mit Liebe, Schatz), die ohne Instrumente nach Düsseldorf fährt und von dort wenigstens nicht ohne Punkte heimfahren soll. Auf dem zweiten Platz landete die hoffnungsvolle Nachwuchssängerin Sarina Cohn, die aufgrund eines Augenleidens im Laufe ihres kurzen Lebens vollständig erblindete. Ihr Chanson „Rien en apparence“ (Scheinbar nichts) erwies sich jedoch alles andere als ein Nichts und mußte sich nur – leider – den Zichorien geschlagen geben. Wer wissen will, was uns Belgien hätte Gutes tun können, klicke auf den Startknopf:



Bulgarien ist in Sachen ESC ein leidgeprüftes Land. Nur einmal wollte der Sprung ins Finale glücken, ansonsten sind die Bulgaren stets gescheitert, zuletzt mit dem selbstverliebten Miro, der aber lieber aller Welt oder diversen Verschwörungen die Schuld dafür gab. Dieses Jahr versucht Poli Genova mit ihrem Titel „Na inat“ (Aus Sturheit, einer der wenigen [noch] nicht englischen Titel heuer) ihr Glück, mit voller Rückendeckung sowohl von Jury als auch Publikum. Netter Poprock, der eigentlich nur durch seine Sprache auffällt. Wer es gerne mehr folkloristisch gehabt hätte, wäre bestimmt mit Elmira Kostovas Beitrag „Mome hubava“ (Schönes Mädchen) glücklich gewesen, der aber nicht einmal unter den ersten Fünf landete. Wer gerne wissen möchte, wie sich bulgarischer Volkssang mit E-Gitarren und hippiesken Querflöten anhört, möge den Startknopf drücken:



1 Kommentar:

Sixtus hat gesagt…

In Albanien scheint mir, nach mehrmaliger Betrachtung, das richtige Lied gewonnen zu haben. Aurela hat Ausstrahlung und vor allem Stimme. Man wird sehen, ob "Englisch" das Lied nun verschandelt oder nicht.
Im Vorjahr zumindest konnte der Sprachentausch Juliana nichts anhaben.


Auch wenn das Auswahlverfahren in Belgien etwas fragwürdig war, so schlecht wie Du es beschreibst, war die Auswahl nun doch nicht.
Allein bei den DQs kommt mir die Galle hoch, man kann beim besten Willen keine Regelwidrigkeiten politischer Natur entdecken.
Witloof Bay waren meine Favoriten und ich bin superfroh, dass sie nach Düsseldorf fahren dürfen.
Egal, ob ihre Genialität dort erkannt wird oder nicht, über die Jahre werden sie sich zu ESC-Favourites entwickeln.


In Bulgarien habe ich mir andere Sieger gewünscht, aber Poli ist auch "in Ordnung", nicht zuletzt, weil das Lied großteils aus österreichischer Feder stammt ;-)