Hoch gewettet, tief gefallen: Wieder mal ein Schlag ins Wasser war Frankreichs Geniestreich, den (noch) „jüngsten Tenor der Welt“ ins Rennen zu schicken und sowohl mit Bolero als auch genialem Bühnenbild auszustatten. Aber was nützt die beste Stimme, wenn sie nicht voll da ist, wenn es darauf ankommt? Überaus nervös und zu Beginn auch gerne mal etwas falsch singend trat Amaury Vassili in die Fußstapfen der 2003er Teilnehmerin Louisa Baïleche, die auch unter anderem mit ihrer Frisur eine bessere Plazierung zu verhindern wußte.
Was wurde doch von einigen Fans gemeckert, als der lang ersehnte erste Beitrag Italiens nach vierzehn Jahren bekannt wurde – nicht „arschbombig“ genug, zu spartenlastig, zu wenig eingängig und bla, bla bla. Dabei haben die Italiener einmal mehr blinde Stilsicherheit bewiesen, indem sie sich einfach einen Dreck darum scherten, was bei Eurovisions-Fanatikern gut ankommt (woher sollten sie das überhaupt noch wissen?) und statt dessen einen echten Musiker namens Raphael Gualazzi entsandten. Und spätestens unter all den krawalligen Scheibenzertrümmerern, kindischen Bauklötzchenbesingern und selbstgefälligen Leuchtschuhträgern mußte diese Musikalität auffallen.
Das Vereinigte Königreich hat noch immer nicht zu gewohnter Form zurückgefunden. Dabei wurden auch die Briten als Mitanwärter auf den Eurovisionsthron gehandelt, denn die Zutaten stimmten durchaus: Eine europaweitbekannte Gruppe nicht mehr allzu junger Herren, ein eingängiges Lied, dargeboten in der Allerweltssprache Englisch, und zwar echtem. Bliebe nur das Problem, daß dieses Lied just auf Lee Ryan zugeschnitten war, der es in Grund und Boden sang. Den Zuschauern war dies wohl egal, sie wählten Blue wohl nicht zuletzt des Namens wegen – bis auf Platz fünf. Die Juries hingegen hatten keinerlei Einsehen mit den stimmlichen Unzulänglichkeiten und reichten die Gruppe auf Platz 22 durch. Das reichte zwar immerhin noch für einen elften Platz in der Gesamtwertung, für die Briten mittlerweile schon eine der besseren Plätze, aber eine gelungene Rückkehr zur Bühne sieht anders aus. Auf heimischem Boden war es natürlich ein leichtes für Lena, die sowohl ihren Meyer als auch ihre Landrut daheimgelassen hatte, Deutschlands Auftritt zum meistumjubelten des Abends werden zu lassen. Abgesehen davon war daran jedoch nichts Überraschendes, sie tanzenden Silberfischchen waren schon im Vorentscheid dabei und über ein übermäßig starkes Sangesorgan konnte sich Lena auch noch nie beklagen. Vergleiche mit ihrem letztjährigen Auftritt fallen dennoch schwer, denn die zappelige Nochnichtabiturientin aus Oslo war kaum wiederzuerkennen, dafür aber eine Choreographie, auf die man letztes Jahr wohlweislich verzichtet hat. Ob das Lied zu sperrig für die Massen war, sei dahingestellt; mit dem erreichten zehnten Platz ist zwar die Titelverteidigung wie erwartet (und vom NDR wohl auch inständig erhofft) nicht gelungen, aber auch das sonst übliche erboste Aufbrausen des zumeist ohnehin nicht zuschauenden Bild-Leser-Pöbels wegen jeder Plazierung jenseits der Nummer eins blieb aus. Insofern durchaus eine gelungene Aktion.
Spaniens Beitrag wurde von Rafael Artesero Herrero komponiert, der schon 2005 und 2006 die erfolglosen Beiträge Andorras zu verantworten hatte (drittletzter bzw. letzter Platz im Semifinale). Allzu große Hoffnungen dürften sich die Spanier daher nicht ernstlich gemacht haben. Ein fröhliches Liedchen ohne Höhen und Tiefen, garniert mit einer Choreographie, die das Nachtanzen in jeder Dorfdisco möglich macht. Immerhin war ein Großteil des Publikums in der Arena begeistert von Lucía Pérez’ Darbietung. Nur hat ihr das ebensowenig genützt wie Stella Mwangi oder Dana International.
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