Montag, 30. Mai 2011

Der ESC 2011 im Nachtritt. Teil 2: Die Verlierer des ersten Semifinales

Polen durfte sich seinen Startplatz auswählen, und weil Magdalena Tul schon den Vorentscheid mit dieser Startnummer gewann, entschied sie sich für eben diesen auch im ersten Semifinale. Aber außer den wenigen Klamotten blieb von der Magdalena, die man in Polen erlebte, nichts mehr übrig: Unsicher und stimmlich reichlich indisponiert mündete ihr Vortrag zum Ende hin in ein einziges uninspiriertes und obendrein schiefes Geschrei, womit sie auch die letzten eventuell anrufwilligen für ihren Beitrag verschreckt haben dürfte. Der letzte Platz für diesen leider gänzlich mißlungenen Auftakt des 2011er ESC ist bedauerlicherweise die nahezu zwingende Konsequenz hierfür.


Norwegen schaffte es wider Erwarten auch nicht ins Finale, und sogleich wurde die Negerfeindlichkeit des im Doppelsinne gemeinen Slawen dafür verantwortlich gemacht (ein Vorwurf, der spätestens da verpuffte, als sich herausstellte, daß die ebenfalls dunkelhäutige Senit mehr als zwei Drittel ihrer Punkte aus dem bösen Osten erhielt) oder daß die afrikanisch angehauchten Rhythmen einer Stella Mwangi so rein gar nicht zu Norwegen paßten und der ebenfalls im Doppelsinne gemeine Zuschauer quasi aus Protest nicht dafür anriefe (was ebenfalls widerlegt wurde, als Jury- und Telefonwertung getrennt veröffentlicht wurden). Was bleibt, ist ein fröhlich-mitreißender Auftritt, bei dem die Halle tobte, der Zuschauer mitspielte, die Jury aber aus unerfindlichen Gründen nicht. Kennt man ja von Finnland 2010. Schade drum.


Albanien mag zwar den stimmgewaltigsten Auftritt des Abends gehabt haben, aber die Gestik und Mimik der gekonnt kreischenden Aurela Gaçe war schlicht und ergreifend zum Fürchten, und sie wird wohl nicht wenigen Kindern an diesem Abend in deren Alpträumen erschienen sein. Davon abgesehen war dies die erste Nummer mit Pyrotechnik, deren Hitze man noch über 20 Meter entfernt deutlich spüren konnte. Den Zuschauer hingegen ließ das alles wohl kalt, und Aurela ist damit die erste weibliche Teilnehmerin Albaniens, die es nicht einmal ins Finale geschafft hat.


Armenien bescherte mir dann endlich einmal einen Moment der Genugtuung, zumindest nach der Bekanntgabe der Finalisten, denn dieses von mir so wenig geschätzte Land, das nicht nur wirtschaftlich von seiner Diaspora abhängig ist, war endlich einmal nicht dabei. Und das auch mehr als verdient: Einerseits natürlich wegen dieses unsäglichen Beitrages, andererseits auch wegen Emmy, die nach der letztjährigen verlorenen armenischen Vorentscheidung so laut Zeter und Mordio schrie, bis sie gleich direkt nominiert wurde. Quasi als kleine Rache wählten die Armenier dann auch eine Nummer, die von Emmy wenig geschätzt wurde. Und von Europa wurde diese Nummer dann auch noch gleich viel weniger gemocht, allerdings ist ihr Ausscheiden allein dem Votum der Juries geschuldet, der Telefonpöbel hätte dieses miese Machwerk doch tatsächlich auch noch ins Finale gehievt. Die erste gute Tat der Jurysten!


Und sogleich folgte die zweite: Die Türkei mußte sich ebenfalls erstmals seit 1996 das Finale von draußen ansehen. Und auch dies mit Fug und Recht: Ein vollkommen uninspirierter, wenngleich stimmlich sauberer Vortrag in unkleidsamen Klamotten und eine Verrenkefrau im Käfig sind dann doch selbst für eine Türkei zu viel des schlechten Geschmacks, und so wurden Yüksek Sadakat unter tatkräftiger Nichtbepunktung durch die Juries vom Finale ferngehalten.


Malta, die sonnige Inselgruppe voller unbegabter Musikusse, blieb auch dieses Jahr der Finaleinzug verwehrt. Obwohl man zugeben muß, daß Glen Vella stimmlich aus der Nummer rausholte, was ging – aber was nützt es, wenn eben die ganze Komposition nichts taugt? Interessant ist lediglich, daß Malta ebenso wie San Marino von den Juries gerne im Finale gesehen worden wäre. Dies sei Herrschaften auch gerne freigestellt, aber bitte auch nur dann, wenn es musikalisch zu begründen ist, bei Malta ist es das nicht – und noch viel weniger bei…


San Marino, ein schönes Beispiel dafür, wie man eine ohnehin schon schwache Allerweltsnummer zusätzlich durch einen schlechten Auftitt ruiniert. Senit sah aus, als hätte man sie mitten in der Nacht aus dem Bett geschleppt und ihr weder Zeit zum Kämmen noch zum Umziehen gelassen. Dazu war sie auch noch stimmlich völlig indisponiert. Alles andere als die Wiederholung des letzten Platzes von 2008 erschien mir daher wie ein Wunder. Wenn es nach den Zuschauern gegangen wäre, wäre es auch zu eben jener Wiederholung gekommen, aber die Juries retteten wie schon zuvor erwähnt dem Zwergstaate im Staate den Arsch und zogen ihn noch auf einen Platz vor Stella Mwangi. Aber draußen ist draußen – gottseidank.


Daria Kinzer, die Vertreterin Kroatiens in Düsseldorf, konnte einem irgendwie leid tun: Billiges Lied, billige Klamotten (die dafür aber dank Umziehtricks gleich in dreifacher Ausführung), billige Choreographie, billige Bühnendeko. Im Jahre eins nach dem schockierenden Ausscheiden Feminnems scheinen die Kroaten vollkommen den Durchblick verloren zu haben, wie man eine vernünftige Eurovisionsnummer komponiert und die dann auch halbwegs geschmackvoll auf die Bühne bringt. Statt dessen ein Retrostampfer, der auch 1995 schon angestaubt gewirkt hätte, dazu ein Titel, der spätestens seit dem Schweizer Turnverein von 2004 allein schon Abschreckung genug hätte sein müssen und ein alberner Zauberer, den man hoffentlich nicht mitmieten muß, wenn man Darias Sangeskünste für private Feiern anheuert. Das Semi-Aus kam erwartet und mit Recht.


Portugal wollte Humor beweisen und erntete einmal mehr das Übliche aus Europa: Unverständnis. Das heißt: Die Zuschauer waren für die fröhliche Protestcombo eigentlich gar nicht einmal so unempfänglich, aber der mit Abstand letzte Platz bei der Jury (noch weniger Punkte als San Marino bei der Telefonseelsorge!) sorgte im Gesamtergebnis für einen vorletzten Rang. Dabei war es doch so ein schönes Sesamstraßen-Lied…


Keine Kommentare: