Freitag, 27. September 2013

Nachlese 2013 - Die Finalisten (3)


Russland
Och nööööö. Die Großnichte von Fräulein Rottenmeier im Bettjäckchen ihrer Oma und einem Kleid, das kein 15jähriges pickeliges Mauerblümchen als Abschlussballkleid auch nur in Erwägung ziehen würde, singt mit guter Stimme und Chiara-Mimik und -Bewegungen einen brechreizerregenden "Piep-piep-piep-habt-Euch-alle-lieb"-Breitwandschlonz, leider auch nicht von Startnummer 2 aus. Und das nun ausgerechnet aus Russland. Wird beim zweiten Hören nicht besser, und man fragt sich, ob Dina die Sülze eigentlich selber glaubt, die sie da singt. Der Gimmick mit den geworfenen Lampen war nett (und da alle Witze über den Ausverkauf in der Lampenabteilung von IKEA bereits gemacht wurden, mach ich jetzt keinen), und das mit den Leuchtarmbändern sah zugegebenermaßen toll aus. Aber bittschön: Platz 5?!? Das ganze bleibt nach wie vor maßlos überschätzt. Und ich wage mal zu behaupten, dass dieser Beitrag, wäre er in exakt der gleichen Form für, sagen wir mal, Andorra gestartet, nicht über das Semi hinausgekommen wäre.

Deutschland
Mit dem Kürzen von Eurovisionssongs ist das ja so eine Sache. Bei manchen klappt es, bei manchen nicht so richtig, und nach "Diwanit bugale" haben wir jetzt den zweiten Eurovisionssong, der durch die Kürzung nicht verschlechtert, sondern regelrecht massakriert wurde. Eigentlich war Deutschland ja mein Siegertipp, aber nach der ersten Strophe war klar, dass das nichts werden konnte. Die haben ja sämtliche Struktur aus dem Song rausgenommen! Das hörte sich an, als ob irgendwer einfach mal irgendwo ohne Rücksicht auf Verluste die Schere angesetzt hätte, egal ob da was Gescheites rauskommt oder nicht. Das Schlimme ist, dass auf dem Eurovisionssampler ebenfalls eine gekürzte Version drauf ist, die aber im Gegensatz zur performten Version stimmig und gut strukturiert ist. Warum hat man diese Version nicht für den Abend der Abende genommen?!? Leider war Natalie nicht cool genug, um statt "Glorious" "What have they done to my song, Ma" zu singen, was textlich auf jeden Fall angemessener gewesen wäre. Aber nicht nur die Kürzung war katastrophal, sondern auch die Choreographie. Was bitte war an der blöden Treppe so toll, dass Natalie fast das ganze Lied über da oben bleiben musste? Das hat den letzten Rest dann auch noch kaputt gemacht, da half auch ihr Strahlen nichts mehr. Zum Schluss lief sie dann über den Catwalk, um mit dem Hallenpublikum auf Tuchfühlung zu gehen, das heißt, es blieb nix Gescheites mehr für den Schnelldurchlauf übrig. Und in ebenjenem wirkte der deutsche Ausschnitt dann leider auch sehr unglücklich. Das war mal richtig, richtig schade und traurig, insbesondere auch deshalb, weil ich Natalie und ihre offene, sympathische Art inzwischen wirklich ins Herz geschlossen habe.
Ich weiß übrigens jetzt, warum ich "Glorious" so mag, obwohl das ansonsten ja so gar nicht meine Art Musi ist. Ich hör da nämlich nicht nur eine Ähnlichkeit zu "Juckpulvria", sondern vor allem auch zu "Ritmo de la Noche", was zwar an sich ein Scheißsong ist, mit dem ich aber ein paar mir sehr lieb und teuer gewordene Erinnerungen verbinde. Ist doch komisch, wie die Geschmacksnerven so ticken, n'est-ce pas?

Armenien
Bizarr: In der Postkarte hatte der Leadsänger der Dorians (dessen Namen ich vergessen hab und der mir auch jetzt und hier nicht wichtig genug ist, um ihn nachzuschauen, der sich aber selber auf jeden Fall für die armenische Inkarnation von Johnny Depp hält) noch eine Augenbraue, beim Auftritt warens auf einmal zwei. Ansonsten bleibt die Reiseführerwerbung ein lahmarschiges, mit unangenehmer Stimme vorgetragenes Stück Musik, zu dem das Rumgehampel des Leadsängers nicht im allermindesten passte. Was das im Finale zu suchen hatte, werde ich wohl nie verstehen. Aber das versteh ich ja bei armenischen Beiträgen eh nur sehr selten... Offensichtlich war ich aber dieses Mal nicht alleine, denn die Halle in Malmö hat bei der Finalistenverkündung an dieser Stelle sehr laut und deutlich gebuht. Völlig zu Recht!

Niederlande
Und dann steht für drei Minuten die Zeit still. Da sitzt man dann da mit Gänsepickeln vom Nacken bis zum Steiß und ja, durchaus auch ein bisschen Wasser in den Augen, und es ist mucksmäuschenstill, weil man keine Millisekunde dieses wunderbaren Songs verpassen will. Und Anouk steht einfach nur da und singt und lässt den Song wirken, und es ist wunderschön. Fast noch schöner ist dann der Moment, wenn dann bei der Finalistenverkündung nur noch ein Umschlag übrig ist und die Halle tobt "Ne-ther-lands! Ne-ther-lands!" und man es sowieso niemandem so sehr gönnt wie den Holländern, weil sie so oft zu Unrecht ausgeschieden sind und kein anderes Land so lange auf eine Finalteilnahme gewartet hat und dann wird der Umschlag aufgemacht und NETHERLANDS ist drin.... Und dann noch Top Ten im Finale... Anouk, Du warst wunderbar!

3 Kommentare:

Patrick hat gesagt…

Dein Kommentar zu den Niederlanden triffts sowas von auf den Punkt, besser hätte ich es in einem zehnseitigen Aufsatz nicht sagen können. Anouk, bitte schreib auch 2014 wieder den Song, denn keine(r) kann das so wie du!

Anonym hat gesagt…

Dem Kommentar zum russischen Machwerk bleibt nichts hinzuzufügen.

Und ja, danke an die Niederlande für den schönsten ESC-Moment 2013

Sixtus hat gesagt…

Kurz und knapp:

Russland = Disney pur (und ich weiß, dass das schon Hunderte vor mir geschrieben haben. Viel zu kitschig, viel zu altmodisch, viel zu gut bewertet.

Deutschland = Natalie als Person top. Lied als eben dieses Flop, egal ob kurz, lang, remixed oder sonst was. GO LA BRASS BANDA GO

Armenien = habe ich lieber tausend mal am Allerwertesten als Aserbaidschan einmal beim Gesicht, aber dieses Lied gehört wohl zum Schlechtesten was der ESC je ertragen mußte.

Niederlande = endlich, endlich, endlich. Und warum nicht schon bei den Toppers und Sieneke???