Samstag, 15. Mai 2021

Startnummernvergabe alt, neu und überhaupt

Könnt Ihr Euch noch an den 7. November 2012 erinnern? Was es da für einen Aufschrei gab, weil Björkman und Co. beschlossen, dass künftig nicht mehr das Los entscheidet, wer von wo startet, sondern der ausrichtende Sender - mit der kleinen Modifikation, dass zumindest die Hälften noch ausgelost werden?

Heute Morgen haben die Big 5 plus Niederlande ihre zweite Probe absolviert und im Anschluss daran bei der PK (oder wars ein Meet & Greet? Egal) ihre Hälften gezogen. Allerorten las man: "Hoffentlich zieht XY (hier bitte den jeweiligen Lieblingsbeitrag einsetzen) zweite Hälfte!"

Ist das berechtigt? 

Ich hab mir gedacht, da heute keine Proben mehr sind, morgen lediglich die Veranstaltung auf dem türkisfarbenen Teppich stattfindet (aufgrund eines positiven Coronatests ohne die polnische Delegation - Daumen sind gedrückt, dass alle PCR-Tests negativ ausfallen, dass es allen gut geht und dass RAFAŁ am Donnerstag performen kann!), füll ich Euch den Abend mal mit ein bisschen Lesestoff zum Thema Startnummern. Angestoßen wurde das durch ein Tubenvideo, wo jemand die Startnummern 2013-2018 analysiert und ihre Durchschnittsplatzierung ausgerechnet hat. Ich hab das mal aufgegriffen und ein bisschen erweitert.

Ist also die handgeklöppelte Startnummernvergabe jetzt besser oder schlechter oder gleich gut wie die geloste? Schauen wir doch mal rein, ohne Euch indes mit Zahlen zu überfordern:

Zunächst die Semis. 

Ich habe mal die Durchschnittsplatzierungen der Semis 2008-2012 einerseits und 2013-2019 andererseits angeschaut. Die Jahre 2004-2007 habe ich aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit weggelassen - es ist ein großer Unterschied, ob ich zehn Gewinner aus 19 oder aus 28 Beiträgen raussuche.

Schauen wir mal rein. Hier ist eine kleine Grafik mit den entsprechenden Weiterkommerquoten:


Wie man sieht, wirkt die rechte Spalte der Grafik wesentlich "ruhiger" und ausgeglichener als die linke, auch liegen die Zahlen näher beieinander. Die 100% auf der rechten Seite bei der Startnummer 19 ist allein Eleni Foureira geschuldet, niemand sonst hatte in 2013-2019 eine Startnummer 19.

Ein Vorteil ist in jedem Falle nach wie vor die letzte Startnummer, bis auf Triana Park 2017 (die dann aber auch gleich Letzte wurden), ist bis dato jeder von dieser Nummer ins Finale gekommen. Am anderen Ende liegen erwartungsgemäß die Nummern 2 und 3, allerdings sind die Unterschiede zwischen den Nummern längst nicht mehr so krass wie 2008 bis 2012. 

In einer weiteren Grafik zeige ich Euch die durchschnittliche Platzierung: 


Auch hier wirkt die rechte Seite bis auf den Foureira-Ausreißer ganz unten wieder wesentlich ausgeglichener, man sieht es auch an den Zahlen. Die handgeklöppelte Startreihenfolge wirkt sich meiner Meinung nach hier durchaus positiv aus, die "Gleichberechtigung" der Startnummern ist deutlich gestiegen.

Bitte beachten: Bei der Semi-Auswertung habe ich in den Jahren 2008 und 2009 die drei, die von der Jury gerettet wurden, nicht gesondert behandelt, ich bin nur nach der Platzierung gegangen!


Schauen wir mal aufs Finale. Hier nehmen wir jetzt einerseits die Jahre 1998-2012, also alles, wo es Televoting gab, und die Jahre 2013-2019 getrennt. Auch hier schauen wir wieder auf die Durchschnittsplatzierung nach alt und neu:


Und hier wird es jetzt richtig interessant. Es ist so zu lesen: Je blauer, desto besser. Je röter, desto weniger gut. Wir sehen auf der linken Seite einen eindeutigen Vorteil bei den Nummern ganz hinten. Vorne sieht es eher mau aus. Das heißt, wer beim Losverfahren eine niedrige Startnummer gezogen hat, war bedenklich im Nachteil, und es hat in Jahren, wo es eng war, vermutlich mehr als einen guten Beitrag den Sieg gekostet. Ich bin immer noch überzeugt, dass der Sieger 2011 bei anderer Startnummernvergabe nicht Aserbaidschan geheißen hätte (und der 2001 nicht Estland!).

Auf der rechten Seite sehen wir, dass es zum Ende der Hälften hin, also Startnummern 9-13 und alles ab 22 immer blauer wird. Die Hälften haben sich einander angeglichen, es spielt also für das Abschneiden kaum noch eine Rolle, ob man erste oder zweite Hälfte zieht. Das zeigt sich auch in den letzten beiden Zeilen: Gab es zwischen 1998 und 2012 noch einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Hälften (zweite Hälfte schnitt durchschnittlich mehr als zwei Plätze besser ab!), so hat sich dieser Unterschied seit 2013 komplett marginalisiert. Und das ist auf jeden Fall erfreulich. Es gibt also keinen Grund zur Panik, wenn der eigene Favorit für das Finale die erste Hälfte zieht.

Wie kommt es nun, dass seit Festlegen der handgeklöppelten Startreihenfolge die späten Startnummern der jeweiligen Hälften so signifikant besser sind? Haben diejenigen, die spät in ihrer Hälfte starten, nicht einen ungerechtfertigten Vorteil?

Natürlich haben sie den. Aber nicht wegen der Startnummer, sondern sie bekommen die Startnummer wegen ihres Vorteils, dh wegen ihres Semi-Ergebnisses bzw ihrer Wettquoten. Beim Festlegen der Finalstartreihenfolge sollen ja möglichst alle Acts im besten Licht präsentiert werden, und das heißt dann auch, dass ein potenzieller Siegersong nicht die Startnummer 2 zugeschustert bekommt, die sich nun endgültig als Todesslot etabliert hat.

Schauen wir mal die Nummern der Top-5-Absolvierer in den einzelnen Jahren an:

2013: 18 - 20 - 22 - 24 - 10

2014: 11 - 24 - 13 - 7 - 21

2015: 10 - 25 - 27 - 13 - 12

2016: 21 - 10 - 18 - 8 - 9

2017:  11 - 25 - 7 - 23 - 34

2018: 22 - 25 - 5 - 11 - 26

2019: 12 - 22 - 5 - 24 - 9

Wie man sieht, tummelt sich das bis auf ganz wenige Ausnahmen immer in der hinteren Hälfte seiner Hälfte.

Insgesamt finde ich das neue Verfahren durchaus gut, auch wenn damit ein kleines bisschen Spannung wegfällt. Man kann an der Finalstartreihenfolge immer schon ganz gut ablesen, wem der Gesamtsieg zugetraut wird. Ich wusste 2019 nach dem Anschauen der Finalstartreihenfolge sofort, dass Duncan das gewinnen wird. 2013 ist die große Ausnahme in diesem Reigen, denn Emmelie war in ihrer Hälfte mit der 18 sehr früh dran. Zwei Punkte sind hier aber bedenkenswert: Sie hat sich im Finale gegenüber dem Semi so enorm gesteigert, dass der Sieg zwingend war, und außerdem war es das erste Jahr, wo man mit der Reihenfolge rumgespielt hat. Inzwischen hat man schon mehr Routine, so dass ich auch in diesem Jahr hoffe, dass man eine Reihenfolge zusammenbaut, die jeden Act strahlen lässt! 

Annalühse gibts dann wie inzwischen schon gewohnt wieder hier!

Bis dahin: Viel Spaß mit den restlichen Proben, Servietten des Todes nicht vergessen!

1 Kommentar:

Saul Goodman hat gesagt…

Vielen Dank für die wertvolle, mathematische Arbeit!