Samstag, 15. Juni 2019

ESC-2019-Nachlese - Nochmal Platz 25

Nein, es ist wirklich nicht leicht, in Zeiten wie diesen ein deutscher ESC-Fan zu sein. Das Desaster mit den Sisters war ebenso abseh- wie vermeidbar, worauf ich in diesem Posting noch ein bisschen näher eingehen möchte.

Zunächst die beiden Mädchen. Ich finde Laura und Carlotta nach wie vor nicht besonders sympathisch, sie tragen aber an der ganzen Misere am allerwenigsten Schuld. Wenigstens sind sie, soweit ich das gesehen habe, eher nicht dafür verantwortlich gemacht worden, der Shitstorm, der bereits nach der Vorentscheidung ausbrach, traf komplett den NDR, wo er auch hingehört.

Wenn dann nach Probenbeginn so gut wie alle internationalen Blogger Deutschland bretthart auf dem letzten Platz sehen, dann hat das nichts mit Böswilligkeit zu tun, sondern damit, dass das, was man da dem internationalen Zuschauer geboten hat, schlichtweg nicht gut oder auffällig genug ist. Ich bin mir sicher, dass "Sister" bei kaum jemandem wirklich auf dem letzten Platz rangierte. Aber das reicht nicht. Damit ich für einen Beitrag anrufe, muss er bei mir auf Platz 1 liegen. Nur dann nehme ich dafür Geld in die Hand. So sind die null Punkte im Televoting nur folgerichtig.

Aber woran liegt das? Und woran lag es, dass Michael Schulte im letzten Jahr ohne Probleme einen vorderen Platz erreichen konnte?

Ganz einfach: Am Gesamtpaket. Man kann den Schultemichel mögen oder nicht (meineeine mag ihn bekanntlich nach wie vor nicht), aber er hatte ein rundes Gesamtpaket. Da stand jemand auf der Bühne, der genau wusste, was er wollte, der SEIN Ding gemacht hat und sich nichts hat aufdrücken lassen. Gleiches gilt für alle Sieger seit mindestens mal Conchita. 

Und die Sisters? Kriegen einen Song aus dem Songwriting-Camp untergejubelt in der Hoffnung, dass sie das irgendwie hinkriegen. Kriegten sie auch, aufgrund bekannter Vorgänge. Aber international war damit nix zu holen.

Deshalb, lieber Thomas Schreiber und lieber NDR: Hört doch endlich auf, alles schönzureden. Steht doch einfach mal zum dem Mist, den Ihr gebaut habt. Das hier war ein hausgemachtes Versagen. Unterschwellig hörte man bereits im Vorhinein Kritik an Song und Verfahren (ja, auch von Peter Urban!). Es braucht kein neues Auswahlverfahren, sondern das bestehende muss einfach umgesetzt werden. Ohne Wildcard. Ohne Songs, die irgendwem aufgedrückt werden. Und MIT einer Vorauswahl der Genres, damit wieder Vielfalt einzieht im deutschen Vorentscheid! Der Weg dieses Jahr war schon gar nicht schlecht, wenn nicht die Startnummer 7 gewesen wäre. 

Und lieber Thomas Schreiber: Für den Supersong, den Sie da für 2020 noch in der Schublade haben, gibt es genau zwei Möglichkeiten. Entweder Sie geben ihn den Songschreibern, damit er von denen 2020 performt wird, immer unter der Voraussetzung, dass sich damit ein schlüssiges Gesamtbild ergibt - oder Sie geben ihn der Papiertonne. Ohne eine Einheit aus Song, Interpret und Performance hat das Ganze nämlich keine Chance!

Dass die Briten das gleiche Problem haben, ist übrigens kein Trost. Lest mal folgenden Brief von Roy D. Hacksaw: https://oneurope.co.uk/eurovision/an-open-letter-to-bbc-eurovision-2/
Da kann man eigentlich fast alles unterschreiben.

Also: Kein neues Konzept, sondern das bestehende einfach mal leben. Mut zur Vielfalt. Wie ich vor längerer Zeit schon mal schrob: Ich sehe mein Land lieber mit Grandezza untergehen als mit Langeweile. Aber wenn man diese Einheit schafft zwischen Song, Interpret und Performance, dann muss es überhaupt nicht zum Untergang kommen!


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