Wie ging es Euch in der Nacht von Samstag auf Sonntag so gegen ein Uhr? Wenn es Euch so ging wie mir, wart Ihr restlos erschöpft und ausgelaugt. Und das legt sich zumindest bei mir auch erst so langsam wieder.
Was war das aber auch für ein Ritt dieses Jahr. Vieles lief anders als sonst, und allein die Tatsache, dass wir uns im Moment NICHT hauptsächlich darüber auslassen, dass mal wieder der Sieger des Televotings das Nachsehen hatte, zeigt schon, dass es eine spezielle Saison war (das Wort "besondere" möchte ich an dieser Stelle nicht verwenden, da positiv besetzt - passt hier nun wirklich nicht).
Was ist denn eigentlich passiert? Die Welt, auch die ESC-Welt, hat sich seit dem 7. Oktober 2023 bekanntlich verändert. Ein Angriff, ein Vergeltungskrieg, Wirren, Wirren, Wirren, keiner blickt mehr durch, jeder hat eine Meinung. Darf man haben. Ich hab auch eine. Ich werde sie hier aber nicht kundtun, erstens ist meine Meinung vollkommen irrelevant und tut nichts zur Sache, und zweitens habe ich sowieso längst die Übersicht verloren.
An dieses Vorgehen hielt und hält sich aber längst nicht jeder, wie im letzten halben Jahr leider überall zu sehen und zu lesen war. Es ist kein Problem, eine Meinung zu haben und die auch rauszuposaunen. Problematisch wird es dann, wenn man in seiner Meinung so schwarzweißdenkend ist, dass jeder, der eine andere Meinung vertritt, sofort verunglimpft wird. Dort, wo ich mich ESC-diskutierenderweise aufhalte, kommt es vor, ist aber inzwischen die Ausnahme (das war nicht immer so), und falls da jemand doch in dieses Muster fällt, wird ersiees sofort in die Schranken verwiesen.
Leider ist das nicht überall so. Wie wir wissen, sollte Käärijä Spokesperson für Finnland werden. Es kursiert ein Video, in dem er gerade mal acht Sekunden lang mit Eden Golan tanzt. Für dieses Video ist er dermaßen angegangen worden, dass er sich schlussendlich gezwungen gesehen hat, sich davon zu distanzieren und auch sein Amt als Spokesperson niederzulegen. Natürlich wäre es besser gewesen, da Zivilcourage zu zeigen und das auszuhalten. Aber: Wer von uns sicher ist, dass er unter dem Druck anders gehandelt hätte, der werfe den ersten Stein. Ich werfe keinen. Ich kann Käärijä da (so denn diese Lesart auch tatsächlich richtig ist) absolut verstehen und finde es einfach nur schlimm, dass es so weit gekommen ist.
Gestern gegen Mittag stellte ich unter einem ESC-kompakt-Beitrag die Frage, ob man denn wohl mit Dana International genauso umgesprungen wäre, selbstverständlich in der Erwartung, dass einer verdiente Größe wie Dana doch sicher auch in dieser Situation eine andere Art Wertschätzung entgegengebracht würde als der Newcomerin Eden. Denkste. Die Antwort kam in Form eines Hinweises auf diesen Tweet, und als ich da reingeschaut und die Kommentare gelesen habe, ist mir das Mittagessen wieder hochgekommen. Deshalb wiederhole ich das alles hier auch nicht, wenn es Euch interessiert, schaut selbst.
Wer solche Weltanschauungen verbreitet, und zwar egal ob es gegen Menschen geht, die aus einem Land kommen, das einem nicht passt, oder gegen queere Menschen oder überhaupt gegen irgendeine Gruppe von Menschen auf diese Weise agitiert, der hat nicht nur den ESC nicht verstanden, sondern handelt im höchsten Maße verabscheuenswürdig. Sexismus, Rassismus, Queerophobie - es ist alles derselbe Sumpf.
Ich denke, wir als Fans dürfen solchen Leuten die Deutungshoheit über den ESC nicht überlassen! Wir sollten uns die ganz dringend wieder zurückholen! Der ESC soll Menschen verschiedenster Länder im friedlichen Wettstreit verbinden, lassen wir nicht zu, dass solche Idioten das für alle kaputtmachen. Wer Leute diskriminiert, weil sie queer sind oder weil sie aus einem Land kommen, das einem nicht passt, ist einfach nur ein Idiot. Wollen wir zulassen, dass die uns dieses fantastische Event kaputtmachen? Man kann solcherlei Mist einfach immer nur wieder entschlossen entgegentreten. Gerade in den sozialen Medien, aber auch in einigen Fanmedien herrscht da ein Ton, der nicht zum Geist des ESC passt. Darauf sollten wir immer wieder hinweisen und uns das vor allem nicht gefallen lassen. Ich will nicht, dass Hatari (ja, ausgerechnet!) Recht behalten und es am Ende dann doch heißt "Hatrið mun sigra".
Glücklicherweise gibt es ja nicht nur solche Leute. Ich habe mit großen Vergnügen die Berichte von Johannes Floehr auf ESC kompakt sowie den von meinem Leser Zwelfbungt - Lucas in den Kommentaren zum Artikel Nachlese hier auf dem Blog gelesen. Die haben nicht nur Spaß und gute Laune beim Lesen gemacht, sondern geben auch jede Menge Anlass zur Hoffnung. Zumindest bei den Fans in Malmö war die Stimmung gut, man ist vielen anderen Fans aus anderen Ländern begegnet und es war ein fantastisches Erlebnis - und genau das soll der ESC ja auch sein. Das macht mir sehr viel Mut fürs nächste Jahr. Danke, dass Ihr Eure Erlebnisse mit uns geteilt habt!
Ich werde mich nun aus der ESC-2024-Saison verabschieden (ich brauche DRINGEND Abstand!) und möchte das gern mit einer versöhnlichen Note tun. Was eignet sich besser dafür, als ein paar Dankeschöns loszuwerden:
Zuallererst und zuallerwichtigst an das wunderbare Team von ESC kompakt. Ihr seid ja schon in normalen Jahren ganz groß - dieses Jahr war es übergroß. Wie immer habt Ihr ausgewogen, kompetent und sachlich über alles berichtet, was es so zu berichten gab. Aber in diesem Jahr gab es noch mehr: Ihr habt in Eigenregie die Songchecks organisiert und durchgeführt - und was für welche! Wer sie nicht kennt, schaut Euch das unbedingt an. Hier geht's lang. Aber auch Eure Berichterstattung während der Krisenstunden zwischen dem zweiten Semi und dem Finale war großartig. Ihr wart uns auch hier zuverlässige Begleiter*innen, seid Euch nie in Spekulationen ergangen und habt uns trotzdem über das wesentliche immer auf dem Laufenden gehalten. Danke, danke, danke, wenn es Euch nicht gäbe, würden die ESC-Fans in Deutschland wohl am Stock gehen.
Außerdem ein Dankeschön an das großartige Alles-Eurovision-Team. Es war mir ein Fest. Schönste Überraschung von allen: Dass am Sonntag beim Katerfrühstück auf einmal Stefan wieder in Eurer Mitte weilte. Aber auch Alina und Consi alleine als Gespann (plus Marcel) sind einfach großartig. Was ich in diesem Jahr besonders und besonders toll fand, war Eure Nahbarkeit. Es war interessant zu sehen, wie Ihr Euch da in Eurem Airbnb Euer improvisiertes Studio gebaut und uns Einblicke gewährt habt, wie es hinter den Kulissen aussieht. Auch dass man immer mal wieder die Mitarbeiter*innen hinter den Kameras gehört hat und Ihr mit denen Quatsch gemacht habt, war einfach toll. Wie jedes Jahr hab ich Euren Content weggesuchtet und war am Ende jedes Videos traurig, dass es schon zu Ende war. Ich hoffe, Ihr bleibt uns erhalten!
Und, last but not least, ein großes, großes Dankeschön an (so ziemlich) alle meine Mitkommenator*innen auf ESC kompakt. Das Motto "united by music" ist leider ja auch bei vielen ESC-Fans längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich weiß von Kommentarspalten aus anderen Ländern, wo teilweise so weit unter der Gürtellinie diskutiert wird, dass eine echte Diskussion überhaupt nicht mehr möglich ist. Ich kommentiere ESC-bezüglich ausschließlich bei ESC kompakt (mehr braucht der deutsche ESC-Fan auch nicht, um allerbestens informiert zu sein!), aber ich weiß von Euch, dass es anderswo so zugeht. Bei ESC kompakt in der Regel nicht. Hier geht es auch sehr oft hoch her, und wir gehen uns auch gern mal an die Gurgel, aber es ist meiner Wahrnehmung nach nur sehr selten so, dass eine Diskussion überhaupt nicht mehr möglich ist. Wenn Beiträge kommen, die nicht tolerabel sind, wird sofort reagiert und die betreffende Person in ihre Schranken verwiesen. Dieses Verhalten hat es möglich gemacht, auch diese Chaos-Saison einigermaßen zu überstehen. Einige von Euch kenne ich ja auch persönlich, die meisten kenne ich "nur" virtuell, viele davon aber schon seit vielen Jahren. Schön, dass es Euch gibt, schön, dass wir Saison für Saison den ESC zusammen begleiten können!
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine schöne Zeit, bis es wieder losgeht, hoffentlich nur mit ganz wenig Post-Eurovisions-Depression. Bleibt mir gewogen, ich bleib Euch umgekehrt ebenfalls gewogen. Freuen wir uns auf die nächste Saison, wo es dann hoffentlich wieder heißt: "United by music" und dieses Motto auch genau wieder die Bedeutung hat, die wir uns davon erwarten! Bis dahin grüße ich Euch mit einem Beitrag, der schon etwas älter und vielleicht ein bisschen kitschig geraten ist, aber genau diese Idee trefflich zusammenfasst: