Donnerstag, 10. März 2011

Aus der Reihe: Was uns vorenthalten wurde. 2011er-Spezialausgabe Teil 4


Polen gehörte im vergangenen Jahrzehnt eher zu den glücklosen Ländern. Vom Überraschungserfolg von Ich Troje 2003 abgesehen glückte den Polen seither nichts mehr richtig. Das Semifinale packten sie nur ein einziges Mal mit einem pferdegebissigen Toastbrot, nur um dort sich mit Deutschland und dem Vereinigten Königreich den letzten Platz zu teilen. Dabei wäre den Polen ein Sieg durchaus einmal zu gönnen, denn so enthusiastisch, wie das dortige Publikum selbst den miserabelsten Interpreten bejubelt, dürfte es für jeden Künstler eine Freude sein, dort aufzutreten.
Nicht nur der größte Jubel, sondern auch mit Abstand die größte Stimmenzahl konnte heuer Magdalena Tul mit ihrem selbst komponierten Titel „Jestem!“ (Da bin ich!) einheimsen. Er war einer von drei polnischsprachigen Titeln im Finale, und Magdalena hat eigentlich auch vor, ihr Lied in Düsseldorf so zu belassen, wenn sich nicht „überraschend“ herausstellen sollte, daß die noch aufzunehmende englische Version sehr viel besser sein sollte (was auch immer das heißen mag). Jedenfalls sei ihr viel Erfolg beschieden, wenngleich sie sich für Düsseldorf auch ein weniger freizügiges Kostüm aussuchen darf. So gut, wie sie bei Stimme ist, braucht sie von nichts abzulenken.
Ebenfalls überraschend gut bei Stimme (wenn man von dem vergeigten Anfang absieht) war auch Magdas größte Konkurrentin Anna Gogola, die mit ihrem gleichfalls polnischen Titel „Ktoś taki jak ty“ (So jemand wie du) den zweiten Platz belegte – eine Mischung aus Après-Ski-Schlager und Disco-Stampfer, vor allem aber berückend eingängig. Jedenfalls besser als gefühlte 90 % der heurigen Beiträge – vielleicht könnte Polen ja einen Beitrag an Weißrußland abtreten, die sowieso nichts Vernünftiges hinbekommen?




Portugal hat die Nase voll! Voll von geldgeilen BWL-Fuzzis, die stets die Kreditwürdigkeit des Landes herabstufen; voll von Mutti Merkel, die als verschwenderische Matrone anderen Ländern vorschreiben will, wie sie haushalten sollen; voll von Arbeitslosigkeit, Waldbränden und verfaultem Fisch! Und offenbar auch davon, beim Großen Weichkäse ins Finale einzuziehen. Dreimal scheint genug für die Lusitanier, jetzt sollen mal wieder andere ran, zum Beispiel Ungarn oder San Marino. Eine löbliche Einstellung. Nur: Muß man das so offensichtlich tun wie die Portugiesen in Gestalt der Homens da Luta (Kampfmänner)? Also einen provinziellen Protestsong („A luta é alegria“ – Der Kampf ist Freude) einreichen, den man außerhalb der portugiesischen Grenzen auch gar nicht erst verstehen will?
Doch egal, das heurige Festival da Canção war ohnehin schon eines der schwächsten der letzten Jahre (auch wenn die Portugiesen wenigstens so viel Geschmack bewiesen, den Siegel/Meinunger-Song schon in der Internetabstimmung auf den vorletzten Platz zu setzen). Aber eine dicke Diva wie Vânia Fernandes ließ sich nicht finden, auch keine Straßenmusik-Combo vom Format der Flor-de-Lis oder wenigstens ein gesangsfähiges, gutaussehendes Casting-Sternchen à la Filipa Azevedo. Nichts davon weit und breit. Statt dessen ein Angebot, das von liebenswert-antiquiert (Henrique Feist) bis einfach nur dämlich („Boom Boom Yeah“ – Armenien läßt grüßen) reichte. Zur ersten Kategorie kann man vielleicht noch den Sang der 7 Saias (7 Röcke) schlagen, eine Truppe von sechs Damen in Urgroßmutters Festtagskleidung, die „Embalo do coração“ (Herzensgefühl) sang und damit zusammen mit Feist den vierten Platz belegte. Wer sich dafür interessiert, was es Besseres in Portugal gab, möge auf den Startknopf drücken:




Der nördlichste Ableger des ehemaligen Jugoslawiens glänzte bislang nicht allzu sehr durch große Erfolge beim Grand Prix; mehr als zwei siebte Plätze waren für Slowenien nicht drin. Ob das Maja Keuc mit ihrem weitgehend melodiefreien Beitrag „Vanilija“ (Vanille) ändern wird, ist fraglich, zumal sie dem Beitrag mit einem englischen Text auch noch ein weiteres Stück Individualität zu rauben beabsichtigt. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die heurige EMA, wie so viele der diesjährigen Vorentscheide, bedeutend schwächer war als im vergangenen Jahr. Unter den Teilnehmern dieses Jahr waren unter anderem auch der wieder etwas schlanker gewordene Omar Naber, die letztjährige Zweitplazierte Nina Pušlar sowie mit Rock Partyzani ein unglaublich schlechter Beitrag, wogegen sogar die portugiesischen Homens da Luta sich wie Hochkultur ausnehmen – nur mit dem Unterschied, daß die Slowenen klug genug waren, diesen Mist nicht auch noch zu wählen. Ein Sieger sprang einem dennoch nicht unbedingt ins Gesicht.
Mit Maja Keuc balgte sich übrigens die gerne mit Lady GaGa verglichene April um die Fahrkarte nach Düsseldorf. Ihr Titel, „Ladadidej“, hätte wenigstens den Vorteil gehabt, in jeder Sprache der Welt gleich sinnlos gewesen zu sein, man aber während des Vortrages nicht einschlafen muß…


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