Freitag, 15. Mai 2020

Fazit 2020

So, DURCH! Gott, was ein Stück Arbeit. Irgendwie sinkt die Motivation gewaltig, wenn man weiß, dass das im Grunde alles Banane ist und es nie zu einem wirklichen Wettbewerb kommen wird. Aber: Der größte Teil des Eurovisionsjahrgangs 2020 ist auch einfach nicht gut. Keine 10, nur eine 9, das hatte ich noch nie.

Wenn ich jetzt eine Prognose wagen sollte, würde sie wie folgt aussehen:

Weiterkommer aus den Semis:

Semi 1:

Schweden
Weißrussland
Litauen
Irland
Russland
Malta
Aserbaidschan
Norwegen
Rumänien
Ukraine

(PUUUUH! Hier hatte ich 13 Weiterkommer, musste schweren Herzens die Belgier rausschmeißen. Und dazu noch Nordmaze und Israel.)

Semi 2:

Griechenland
Österreich
Tschechien
Island
Schweiz
Dänemark
Albanien
Armenien
Bulgarien
Lettland


Die Top 6 im Finale hätte vermutlich so ausgesehen:

Island
Russland
Litauen
Schweden
Schweiz
Bulgarien,

wobei der Sieger unter den ersten drei Ländern zu suchen gewesen wäre. Auch wenn Island derzeit in allen Prognosevideos und Ersatzwettbewerben abräumt und ihnen der Sieg von ganzem Herzen zu gönnen gewesen wäre, bin ich mir nicht ganz so sicher. Dazu sitzt mir der Schock mit Francesco Gabbani von vor drei Jahren auch immer noch zu sehr in den Knochen. Wir werden es nie erfahren, da das alles von so vielen Dingen abgehangen hätte. Am Ende hätte Senhit aus San Marino dann doch das große Eurovisions-Momentum geschafft, und dann hätten wir aber alle mal schön in die Röhre geguckt.

Warum Malta dermaßen hoch gehandelt wird, verstehe ich nach wie vor nicht. Ich sehe sie nicht in der Top 10.

Der Barbara-Dex-Award wäre vermutlich entweder an Portugal oder an Serbien gegangen. Damit hätten wir dann das erste Land gehabt, das den BDA dreimal gewonnen hätte. Auch schön.

Ansonsten hätten die Niederlande mit Sicherheit eine supertolle Show auf die Beine gestellt, ich hoffe, dass sie es im nächsten Jahr tun können und werden.

Tja. Genießt morgen Abend die ganzen Shows, auch wenn es nicht dasselbe ist, und vor allem: Bleibt gesund und uns gewogen!

Lass Dich überraschen, Teil 8

Spanien: Blas Cantó - Universo

Blas, der Mann mit dem schärfsten Schlafzimmerblick Spaniens (oh mein Gott, was ein Satz! Ich muss den Nachnamen benutzen. Keine Witze mit dem Namen, das ist unreif, pubertär und deshalb abzulehnen), zeigt uns im Video seine komplette Garderobe und klettert in der Gegend rum. Seine Tänzer tragen dabei die kompletten Glitzervorräte am Körper, die noch von Aserbaidschan vom letzten Jahr übrig sind. Na ja, wenns schön macht. Das Lied besteht im wesentlichen aus "perdona me, perdona me, uni- universo", und weil ich kein Spanisch kann, frage ich mich, was ihm das Universum eigentlich verzeihen soll. Der Song ist ansonsten nicht weiter erwähnenswert, Herr Canto selbst ist, wie gesagt, Eye Candy. Aber ich habe ganz leichte Zweifel, ob er dieses stimmlich durchaus herausfordernde Liedchen live gestemmt bekommen hätte. Das hat doch gewaltiges Carcrash-Potenzial.

Das wär sein Preis gewesen: Da ich hier besagten Carcrash hätte kommen sehen, Platz 20+.

6/10 (Kinder: 5 und 5)


Tschechien: Benny Cristo - Kemama Sehr ungewöhnlicher Sound für die Eurovision. Stark afrikanisch bzw lateinamerikanisch beeinflusst, fängt der Song super an, geht dann aber irgendwie nicht so richtig weiter. Da hätte zum Ende hin noch etwas mehr Abwechslung kommen dürfen. Benny ist ein toller Sänger, keine Frage, er hätte das auch live gestemmt bekommen. Die Schwächen und die fehlende letzte Konsequenz im Songwriting überdeckt das aber leider nicht.

Das wär sein Preis gewesen: Uff, das wäre eine enge Kiste geworden für die Tschechen.

6/10 (Kinder: 5 und 6)


Ukraine: Go_A - Solovey

Drittletzter Beitrag, den wir hier begucken, und noch immer keinen Zehner vergeben. Zwanzig gloriose Sekunden lang dachte ich, dass ich endlich einen Zehner gefunden habe, denn das Intro ist zum Niederknien wunderbar. Leider fing dann der Gesang an. Es mag eine osteuropäische Kulturform sein, die zu wertschätzen und zu würdigen ist, aber ich kann mit diesem Gesang unglücklicherweise nicht nur nichts anfangen, er schmerzt mich auch in den Ohren. Es wird aber im Laufe des Liedes besser. Erfreulich ist zudem, dass die Ukraine endlich mal komplett in ihrer Landessprache singt. Das hätte man ruhig früher auch mal machen können, immerhin haben ja beide Siegerinnen ukrainische Anteile im Lied. Jedenfalls musikalisch eindeutig der beste Beitrag des Jahrgangs, und es ist davon auszugehen, dass ein Eurovisions-Powerhouse wie die Ukraine das auch atemberaubend auf die Bühne gebracht hätte.

Das wär ihr Preis gewesen: Top Ten im Finale. Wir reden hier von der Ukraine, und die wissen, wie man sowas macht. 

8/10 (Zwei Abzug für den Gesang, sonst wär es die 10 geworden. Kinder: 6 und 4 - der Gesang halt)


Weißrussland: Val - Da Vidna

Schau mal einer an, auch die Weißrussen singen in Landessprache. Das ist ja vor drei Jahren schon mal richtig toll gewesen. Dieser Song kommt leider nicht so ganz da ran. Die Strophen sind komplett arhythmisch, was das Zuhören etwas erschwert, dafür ist der Refrain umso eingängiger. Überdies wird man mit dem einen oder anderen Mätzchen abgelenkt, so trägt die (übrigens sehr gute und mit einer tollen Stimme beglückte) Sängerin eine Frisur aus Perlen und Strassgehängen. Da war wohl jemand bei Swarovski kampfshoppen. Außerdem hat der Keyboarder wohl sein Keyboard vergessen; er spielt auf dem Keyboardständer und hofft vergeblich, dass wir es nicht merken. Das alles schwächt den Eindruck des Liedes doch sehr ab und wäre eigentlich überhaupt nicht nötig.

Das wär ihr Preis gewesen: Trotz des überflüssigen Schnickschnacks wäre das wohl im Finale gewesen, hätte da aber keine Rolle mehr gespielt.

4/10 (Kinder: 3 und 4,5)


Zypern: Sandro - Running
Wieder so einer, der ganz genau weiß, dass er Eye Candy ist. Im Video wird ihm so allerlei auf den (vermutlich extra dafür) wohlgeformten Körper projiziert. Er will wohl vor irgendwas wegrennen, so wirklich gut versteht man es nicht. Ich glaube, er ist über irgendwas verzweifelt, rennt weg und wird nicht wieder fallen. Ja, schön. Dann renn mal. Ich glaub Dir leider kein Wort von dem, was Du da singst, das ist mir alles viel zu gewollt und zu unauthentisch. Der weiß genau, wie er wirkt, und versucht jetzt anscheinend, im gleichen Wasser wie Duncan Laurence zu fischen. Das geht grandios schief. Nur Eye Candy reicht halt nicht. Außerdem: es gibt nur EIN Running in der Eurovision.

Das wär sein Preis gewesen: Finale am Samstag. Aber nur, wenn er sich vorher eine Eintrittskarte gekauft hätte. Sonst nicht.

4/10 (Kinder: 4 und 6)

Dienstag, 12. Mai 2020

Lass Dich überraschen, Teil 7

Russland: Little Big - Uno

Oh mein Gott, was ist DAS? Das ist so bekloppt und over the top, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Herren mit Frisuren, für die Homens de la Luta sich weiland in Grund und Boden geschämt hätten, mit durchsichtigen Hemden über bemalten Oberkörpern (bitte sagt mir, dass das keine Tattoos sind!), die Damen mit Stimmen, für die die Sängerin von Aqua sich aus dem Fenster gestürzt hätte, und noch der eine oder andere Make-Up-Unfall. Dazu noch der eigentliche Star der Performance: Ein kleiner dicker sehr beweglicher Tänzer im Jogginganzug, für den in Rotterdam wohl einer der anderen hätte zuhause bleiben müssen - der Tänzer hätte zwingend mit gemusst! Das ganze ist scheußlich und im Grunde nichtssagend, aber eingängig wie Hölle. Ich hatte nach dem Hören definitive Verka-Serduchka-Vibes.

Das wär ihr Preis gewesen: Ich sag das ja jetzt echt nicht gern aber … "Ladies and Gentlemen, the winner of the Eurovision Song Contest 2020 iiiiiiiiis: RASCHA!"

 2/10  (Kinder: 0,5 und 1)


San Marino: Senhit - Freaky

Ach, San Marino. Nur, weil man behauptet, freaky zu sein und jede Menge lustiger Freunde mitgebracht hat, die sich allesamt gebärden, als wären sie 15 Jahre jünger, ist man noch nicht freaky, freaky, freaky. Da kann man das noch so oft sagen. Wir sind jung, wir sind cool, wir haben uns lustig verkleidet, und wir können auch sehr schön rumhopsen. So ungefähr. Aber ich hab schlechte Neuigkeiten für Euch, Leute. Man schämt sich eher ganz leicht fremd, weil diese wunderbare Scheißegal-Komponente, die zB Serhat hatte, bei Euch fehlt. Zudem stammt die Musi aus einer längst vergangenen Epoche. Okay, das tat die von "Amor pelos dois" auch, aber Senhit ist nicht Salvador, und San Marino ist nicht Portugal. Obwohl, wie war das mit Portugal vor und nach dem Salvador-Jahr? Ach, egal, nicht aufgeben, San Marino, irgendwann platzt sogar bei Euch der Knoten.

Das wär ihr Preis gewesen: Fernsehabend. Samstag. Und Donnerstag am besten auch, den Song braucht echt kein Mensch.

4/10 (Kinder:  4 und 5)


Schweden: The Mamas - Move

Die Mamas sind zurück, und dieses Mal sind sie allein. In dieser Formation sind sie genauso anbetungswürdig wie letztes Jahr mit John Lundvik. Ihr fröhlicher Gospelsong ist zugegebenermaßen nicht der stärkste im Feld, aber solides Handwerk, und man ist ja schon für so wenig dankbar in diesem Jahr. Sie machen das mit einer Verve und Stimmgewalt, dass man gar nicht anders kann, als ihnen zu Füßen zu liegen. Da sieht man auch über das nicht so gelungene Outfit der Mama mit den rötlichen Haaren locker hinweg. Die Schweden könnens halt einfach.

Das wär ihr Preis gewesen: Sichere Top 10 am Samstag mit Kratzen an der Top 5.

7/10 (Kinder: 6 und 8)


Schweiz: Gjon’s Tears - Répondez-moi

Der bessere französische Song kommt in diesem Jahr aus der Schweiz, und er wird auch besser abschneiden als Frankreich. Gjon wirkt, als würde er die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen (von daher: passender Künstlername!). Der Song ist keine leichte Kost, er wirkt da sehr zerrissen, was durch den permanenten Regen im (schwarz-weißen) Video noch trefflich unterstrichen wird. Geht unter die Haut, der Song. Stimmlich ist das ganz großes Tennis, er muss da sehr hoch singen und kann das ohne Probleme stemmen. Chapeau, Schwiiz, da habt Ihr was Tolles aufgefahren!

Das wär sein Preis gewesen: Final Top 10 auf jeden Fall möglich!

8/10 (Kinder: 8 und 8)


Serbien: Hurricane - Hasta la vista

Liebe Serben, vor noch gar nicht so langer Zeit wart Ihr der zuverlässigste Qualitätslieferant des Balkans. Was habt Ihr uns nicht schon für tolle Beiträge beschert; das ging direkt mit einem Sieg am Anfang los und ließ dann auch lange nicht nach. In diesem Jahr nun schickt man ein paar ausgemusterte Bachelor-Kandidatinnen (oder wars Love Island? Egal!), deren Outfits jeder Dame käuflicher Zuneigung zur Ehre gereicht hätten. Sex sells? Mag sein. Billig sells aber hoffentlich nicht. Und das IST billig. Auch der Song. Das ist nicht mehr mein Serbien! Hasta la vista, aber zackig!

Das wär ihr Preis gewesen: Mit nem Tritt in den Allerwertesten nach Hause am Donnerstag, in die Ecke stellen und eine Woche lang keinen Nachtisch!

0/10 (Kinder: 0 und 0)


Slowenien: Ana Soklič - Voda

Sehr schöne dunkle Stimme, klassisch beginnende Ballade. Allerdings kommt die einfach nicht aus dem Quark, es dauert geschlagene anderthalb Minuten, bis der erste Refrain kommt. Das ist schon schön anzuhören, aber eben leider ein sehr plätscherndes Wasser. Da hätte ich mir dann zum Ende hin dann schon gern den reißenden Gebirgsbach gewünscht. Da hilft auch die gute Sängerin nichts mehr.

Das wär ihr Preis gewesen: Keine Chance aufs Finale. Sorry, Ana.

6/10 (Kinder: 6 und 5)