Dienstag, 1. April 2025

Eurovisionsklasse 2025, Teil 1

1. Island: Væb - Róa

Na, das geht ja schon gut los. Am Anfang fühlt man sich ein wenig an den Stil von Santiano erinnert, zumindest, bis der Gesang einsetzt. Dann übernimmt eine fünfköpfige Boygroup mit Sonnenbrillen in Outfits, die aus einem Stoff geschneidert sind, der wohl von irgendwelchen Kostümpartys übriggeblieben ist und daselbst für Raumanzüge oder sowas verwendet wurde. Sie singen einen sehr eingängigen 4-Chord-Song, den wir jetzt nicht sooo schlimm finden (an den Stellen mit dem Gefiedel sogar ziemlich gut) und hüpfen stellenweise wie eine Ladung Flummis, aber es passt halt nichts zusammen. Wir haben eine gewaltige Bild-Ton-Schere, und der wilde und reichlich unpassende Backdrop hilft dabei nicht. Da ist dann noch irgendwie ein Schiff im Spiel (und da sind wir dann wieder bei Santiano), und die Herrschaften in den Raumanzugsresten werden mit Meeresgetier beworfen. Wir sind verwirrt. Vielleicht werde ich einfach langsam zu alt hierfür.

Chancen aufs Finale? Wenn, dann nur sehr, sehr knapp.

Reykjavik 2026? Ach was.

5/10 (Kinder 5 und 5)


2. Polen: Justyna Steczkowska - Gaja

Justyna, die mit 52 immer noch aussieht wie 25, will es 30 Jahre nach ihrem ersten Eurovisionsauftritt nochmal wissen. Sie haut mich nicht nur mit ihrer Optik und Stimme (ja, sie kanns noch!) aus den Schuhen, sondern auch mit ihrer Beweglichkeit. Das konnte ich in dem Alter nicht. Der Song heißt Gaja und bezieht sich vermutlich auf die gleichnamige Göttin [Edit: Nachgeguckt, ja, tut er]. Der Song ist nicht schlecht, aber sehr anstrengend und beinhaltet mir persönlich auch zu viel Geschrei. Da hätte ich dann doch lieber die hohen Töne von "Sama" von vor 30 Jahren gehabt, auch wenn dann alle Hunde in der Nachbarschaft durchgedreht wären. Die Inszenierung finden wir auch etwas seltsam - haben sich die Tänzer ihre Outfits von Nebulossa letztes Jahr geborgt? Anyway, es ist irgendwie schon wertig, aber uns zu anstrengend. Und irgendwie auch zu aggressiv.

Chancen aufs Finale? Auch hier wird es vermutlich knapp.

Warschau 2026? Nope.

5/10 (Kinder 5 und 5,5)


3. Slowenien: Klemen - How Much Time Do We Have Left?

Was hab ich mich gefreut, als es hieß, Klemen Slakonja versucht es für Slowenien. Der Mann ist ein begnadeter Komiker (guckt mal hier), deshalb hatte ich mir erhofft, dass auch was in der Richtung in seinem ESC-Beitrag durchscheint. Das Gegenteil ist indes der Fall: Er hat ein tieftrauriges Lied für seine schwerkranke Frau geschrieben. Die Inszenierung ist schlicht bis auf den Gimmick, dass er in der Mitte des Songs für eine Weile mit dem Kopf nach unten an Seilen hängt und das Lied in dieser Position weitersingt. Ansonsten ist die Musik eher lahm und der Text ziemlich in your face - für meinen Geschmack zu viel. Bekanntlich hab ich es nicht so gern, wenn man mir mit dem Holzhammer auf die Tränendrüsen kloppen will, da bin ich sofort raus. Ich würde es aufgrund der persönlichen Geschichte von Klemen gern schätzen, aber sorry: Nee. (Vielleicht kommt das ja noch.)

Chancen aufs Finale? Wenn kein Wunder geschieht, ist nach dem Semi Schluss.

Ljubljana 2026? Er darf dann gern wieder die EMA moderieren.

4/10 (Kinder 3 und 4)


4. Estland: Tommy Cash - Espresso Macchiato

Und schon wieder eine Holzhammer-Nummer, wenn auch auf ganz andere Weise. Ein reichlich unsympathisches (und in meinen bescheidenen Augen auch nicht besonders attraktives, aber was weiß ich schon) Kerlchen haut uns einen seltsamen Text in überschaubarem Italienisch um die Ohren, wo es hauptsächlich "mi amore, mi amore, espresso macchiato macchiato macchiato" heißt und noch das eine oder andere Italienklischee verbraten wird, was die Stiefellandbewohner gar nicht mal so witzig finden. Nun ist diese Idee ja nicht wirklich neu, einem ähnlichen Prinzip hatte die Gruppe "Schrott nach 8" 1984 ihren einzigen kleinen Hit zu verdanken - Nomen est in diesem Falle Omen, und "Schrott hoch 8" wäre als Name auch nicht unpassend gewesen. Aber ich schweife ab. Als Italiener*in wäre ich vielleicht auch angefressen, wenn mein Land auf derart unoriginelle, unwitzige Weise durch den Kakao gezogen wird. Andererseits: Viel Kakao, viel Ehr. Über Estland hat sich noch nie jemand unlustig lustig gemacht. Trotzdem - die Nummer ist, allem Schönhörpotenzial zum Trotze (bei den Kindern hat das Schönhören bereits eingesetzt) völlig verzichtbar. Werden wir wohl zweimal hören, aber es wird im Finale ähnlich abschneiden wie der Vorjahresbeitrag. Was diesem gegenüber eine absolute Frechheit ist, aber was willste machen ...

Chancen aufs Finale? Wie gesagt: Das hören wir zweimal.

Tallinn 2026? Um Himmels Willen, bloß nicht!

5/10 (Kinder 7 und 6)

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