Freitag, 23. Februar 2018

You never walk alone!

So, das war sie nun, die deutsche Vorentscheidung 2018. Ich hab den Abend gemeinsam mit meinen Lütten vor dem Rechner verbracht, während ich nebenbei in einer Facebook-Gruppe und einem Chat die Ereignisse kommentiert habe. Soviel vorab: Ich glaube, wir haben eine andere Sendung gesehen als Deutschland und der Rest der Welt. Zumindest fühle ich mich gerade sehr allein.

Aber der Reihe nach.


Die Bühne: Erinnerte so ein bisschen an Düsseldorf ohne die LED-Wand. Nicht schlecht, kann man machen, wenn auch die Satellitenbühne etwas klein geraten war und die Moderatoren zu recht seltsamen und so gar nicht tagesschaumoderatorinkompatiblen Assoziationen bewegte.


Die Moderation: Welche Moderation? War da was? Und bittschön: WARUM muss dieser Mist mit Peter Urban als Off-Kommentator sein? Kann der nicht endlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen? Aber nein, stattdessen kommentiert er sogar dann völlig unnötigerweise aus dem Off, wenn das eigentlich kein Mensch braucht.

Liebe Babsi Schöneberger, bitte bitte halte Dir doch Ende Februar / Anfang März 2019 in Deinem Terminkalender alles frei! Du wirst gebraucht!


Die Teilnehmer: Okay, kommen wir mal zum Herzstück. Ich hab mir das Hören der kompletten Songs ja bis heute Abend aufgespart, aber der grundsätzliche Eindruck der Snippets hat sich nochmal verfestigt. Die Performances boten dann allerdings die eine oder andere Überraschung:


1. Natia Todua - On my Way

Wir beginnen dann gleich mal mit der größten Negativüberraschung. Der Song zündete auch live nicht, aber vor allem traf Natia schlicht und einfach die Töne nicht. Und zwar so, dass es unangenehm auffiel. Es gibt Songs und Performances, die sowas verzeihen. Diese hier nicht. Völlig zu Recht auf dem letzten Platz gelandet.


2. Ryk - You and I

Für mich und alle meine Mitgucker der Höhepunkt des Abends. Ein sehr düsterer, sperriger, schwieriger Song, aber gute Güte, das war "Suus" seinerzeit auch! Und was für eine absolut wahnsinnige stimmliche Leistung! Wie ich vorgestern schon schrieb, verzeiht dieser Song keine Fehler, aber Ryk machte auch keine und riss mit seinem Gesang das Hallenpublikum zu Dauerapplaus und stehenden Ovationen hin. An dieser Stelle mal ein ausgestreckter Mittelfinger an die abstimmenden Zuschauer, die Ryk auf den letzten Platz setzten.


3. voXXclub - I mog di so

Was hat man sich im Vorfeld über diesen Act und diesen Song gestritten. Von "Muss nach Lissabon" zu "Alles, bloß nicht das", Zwischentöne gab es kaum. Und dann das: Die Jungs stehn auf der Bühne in ihren Krachledernen, machen Mordsgaudi und - der Funke springt nicht über. Das war nicht Muh und nicht Mäh. Wenn man mit sowas Erfolg haben will beim ESC, dann muss man noch mindestens drei Schippen drauflegen. Für mich die zweite große Enttäuschung des Abends.


4. Xavier Darcy - Jonah

Der absolute Favorit meiner Töchter, und auch ich fühlte mich während dieser drei Minuten bestens unterhalten. Xavier sah zwar nicht wie der typische ESC-Teilnehmer aus und stand auch ein wenig X-beinig auf der Bühne, aber er hatte Riesenspaß, eine tolle Bühnenpräsenz und einen Song, der uns alle mitriss. Das wäre ein sehr sympathisches Gesamtpaket geworden.


5. Ivy Quainoo - House on fire

Ich schrob es bereits: Wer es gewagt hat, der tollen Ivy einen dermaßen lahmarschigen und langweiligen Song mitzugeben, der soll auf immer im Fegefeuer schmoren! Dabei war Ivy so toll, gesanglich einwandfrei, großartige Ausstrahlung, wäre mit einem besseren Song sicher nicht nur auf Platz 4 gelandet. Aber wenn ich einen Song schon House on Fire nenne, muss ich auch die Halle in Flammen setzen. Und damit war nicht das brennende Haus vom Nikolaus oder das Feuer rund um die Bühne gemeint. Gebt der Frau einen vernünftigen Song!


6. Michael Schulte - You let me walk alone 

Alles in allem war das dann wohl der kleinste gemeinsame Nenner. Sage ich. Ein Wahnsinnssong, der mich zum Weinen bringt. Sagen alle anderen - also alle, die nicht mit mir geguckt haben; meine Mitgucker waren nämlich auch durch die Bank nicht überzeugt. Kein schönes Gefühl. Der Song ist nett, mehr nicht, die Inszenierung mit den Väterfotos stößt mich persönlich ziemlich ab und sollte meiner Meinung nach auch unterbleiben. Stellt den Mann einfach vors Mikro und lasst ihn singen, das reicht.

Was mich übrigens ebenfalls befremdet hat, war Michaels Ungerührtheit und fast schon Unterkühltheit nach dem Sieg. Andere brechen in so einer Situation völlig zusammen vor Rührung, aber Michi, nordisch by nature, erinnerte mich nicht nur seiner Physiognomie wegen an dieser Stelle doch schon arg an Paradise Oskar. Vielleicht tu ich unserem Sänger für Deutschland da aber auch unrecht, und er kann das nur nicht so zeigen. 


Der Pausenact: Sorry, aber aus dem Alter bin ich glaub ich raus. Der Knirps könnte locker mein Sohn sein. Faszinierend fand ich das Interview mit ihm im Anschluss an seinen Auftritt. Redet die Jugend heute wirklich so? Gott, was bin ich alt!


Das Wertungssystem: Na ja, kann man machen. Letztlich hatten alle drei den gleichen Fave, wodurch die ganze Sache recht unspannend wurde, denn nach Vergabe der acht Jurypunkte an Ryk war klar, dass Michael Schulte das Ding gewinnen würde, da konnten die Moderatorensimulanten das ganze noch so hochjazzen. Letztlich gewann Michael haushoch und wurde von allen drei Gruppen mit der Höchstpunktzahl bedacht. Zumindest erspart uns das die unsäglichen Diskussionen von 2013, als auf einige Leute bitterböse draufgehauen wurde, weil sie ja angeblich den rechtmäßigen Sieger verhindert haben. 


Die Reaktion: Nun ja. Breite Zustimmung allerorten, und bei den Wettquoten geht es für Deutschland derzeit deutlich nach oben. Stand jetzt: Rang 9. Das letzte Mal so weit oben war Deutschland mit Cascada. 
Ich werde mich bis Mai wohl an den Gedanken gewöhnt haben, aber ich hätte dennoch lieber Ryk oder Xavier Darcy in Lissabon gesehen.


Der Tauglichkeitstest: Die große Frage am Schluss: Taugt das neue Konzept was? Wie mans nimmt. Nach dem der NDR alle Jahre wieder mit uns Kaisers neue Kleider gespielt hat, hat der Kaiser in diesem Jahr zumindest schon mal Unterwäsche an. Vom Prunkmantel sind wir allerdings noch weit entfernt. Da hat der NDR nun alles generalstabsmäßig geplant, nichts wurde dem Zufall überlassen. Vier Monate lang hat man die besten Songwriter im ganzen Kaiserreich bei Wasser und Brot in den Keller gesperrt, auf dass sie darben und uns mit ihrem gewaltigen Können sechs Ausnahmesongs in die VE zaubern. Sagen wir mal so: Da ist noch gewaltig Luft nach oben! Denn Ausnahmesongs waren das alle nicht, das war gnadenlos mittelmäßig. Und das ist ja genau das, was wir nicht mehr wollten.


Nun gut. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Steigende Quoten und breite Zustimmung allerorten ist ja nicht das Schlechteste. Schade, dass ich dem ganzen nur so wenig abgewinnen kann...


PS: Noch was Erfreuliches: Gestern an der Spitze der deutschen iTunes-Charts: Ein gewisser Måns Zelmerlöw!

1 Kommentar:

Sixtus hat gesagt…

Die Show war leider recht langweilig, die Moderation etwas zu zotig und "unkonzentriert", die Sendung recht schnell zu Ende.

Das Wertungssystem könnte man sich getrost schenken, Expertenimport kostet nur Geld und bringt nichts.

Etwas Positives? Gerne!
Die Auftritte waren wirklich gut inszeniert (außer bei voXXclub - wie schon öfter erwähnt, zu viele Leute auf der kleinen Bühne).

Meines Erachtens hatte Ryk den Auftritt des Abends, da passte einfach alles.
Auch Xavier war großartig. Mit beiden Liedern wäre ich glücklich geworden.

Ivy ist eine wunderbare Sängerin, leider war das Lied aus der "untersten Schublade" gezogen, eine verschenkte Möglichkeit.

voXXclub hat den Titel mit dem höchsten Wiedererkennungswert und wir werden ihn auch noch oft zu hören bekommen (gell Flori?!). Leider sprang der Funke zu keiner Zeit über.

Natia wurde auch Opfer eines schlechten Liedes und ihre Stimme passte gar nicht zum Song. Dazu noch dieses Outfit.

Bleibt noch der Sieger.
So leid es mir tut, aber das wird ein Satz mit x.
Vollkommen belanglose Massenware die radiotechnisch kein Schwein interessiert.
Michael wird sich nahtlos an seine Vorgängerinnen anschließen.