Sonntag, 5. April 2020

Lass Dich überraschen, Teil 4

Puh, irgendwie sinkt ja doch die Motivation, wenn man genau weiß, dass man nicht weiß, ob man Recht hat oder nicht (sagt einem auch kein Licht). Aber wir ziehen das jetzt durch, auch wenn der Nachwuchs im Moment viel lieber Star Wars schauen würde. Recht haben sie.

Let's go on:

Island: Daði & Gagnamagnið – Think about things

Habt Ihr das Geräusch gehört? Dieses leise Rollen und Reiben? Das war Karl Lagerfeld, der sich im Grab rumgedreht hat. Sechs Menschen in froschgrünen (!) Jogginganzügen (!!!) mit ihrem jeweiligen gepixelten Konterfei auf der Brust (!!!!!) singen sich durch einen okayen Song, machen lustige Tanzbewegungen, haben schräg aussehende Instrumente mit leuchtenden Tasten dabei (auch haben will!) und geben alles in allem einen Scheißdreck auf das, was bei der Eurovision von einem erwartet wird. Die haben einfach Spaß. Spaß matters, und Spaß ist ansteckend.

Das wäre ihr Preis gewesen: Top Ten im Finale auf jeden Fall, als Siegeskandidat sehe ich das aber nicht.

7/10 (Kinder: 5 und 7,5)


Israel: Eden Alene – Feker Libi

Ist das da ein Theremin am Anfang? Endlich seh ich sowas auch mal in Aktion. Die israelischen Kibbuztänze sind alive and well, allerdings: Wer ist auf die Idee gekommen, die Herrschaften in Quietschgelb mit aufgeknöpftem Hemd auf der blanken Brust und dem obersten Hemdknopf geschlossen auf der Bühne rumzappeln zu lassen? Wahrscheinlich hat irgendwer beim Sender zu viel von diesem gelben Stoff bestellt, und irgendwas musste man ja damit machen ... es wird übrigens auch nicht besser, wenn man den Stoff grün beleuchtet und/oder Rüschen draufnäht. Eden Alene dagegen hat sich die Hose und die Schuhe von Maryon (Monaco 2004) ausgeborgt und Entfärber drübergekippt. Das Lied ist ganz okay und fasziniert vor allem durch seine Vielsprachigkeit. Da ich der entsprechenden Sprachen nicht mächtig bin, hab ich gespickt: Englisch, Hebräisch, Arabisch (Hebräisch und Arabisch in einem Song!!!!!), Amharisch und eine erfundene afrikanische Sprache. Im letzten Drittel ändert sich der Beat komplett. Man hätte ruhig das ganze Lied mit diesem Beat machen können.

Das wär ihr Preis gewesen: Hm. Schwierig. Wenn Finale, dann nur sehr knapp.

6/10 (Kinder: 6 und 6,5)


Italien: Diodato – Fai rumore

Manche Länder können es einfach, das muss man neidlos anerkennen. Italien ist so eins. Das hier, das hatte mich nach zwei Zeilen. Die Strophen sind super, den Refrain finde ich nicht ganz so stark, aber das macht nix. Die Kinder haben allerdings angemerkt, dass auch dieses Lied ein wenig zu lang geraten ist für das, was es erzählt. Der offene Schluss ist schön, daraus hätte man auf der BÜhne eine Menge machen können. Alles in allem: Gutes Handwerk, große Kunst, die tollste Sprache der Welt, und den jungen Mann kann man sich auch ansehen, ohne dass man das kalte Grausen kriegt. Unser Favorit im bisherigen Feld.

Das wär sein Preis gewesen: Es ist Italien. Top Ten sicher. Irgendwo in der Region, wo Marco Mengoni weiland auch war. Fischt ja schließlich auch in den gleichen Gewässern, aber hier finde ich den Song besser.

8/10 (Kinder 8,5 und 8)


Kroatien

In der Mitte des Songs fragte meine Tochter, wie lange es denn noch dauern würde, bis das rum sei. Das ist mindestens mal kein gutes Zeichen. Und sie hatte recht: Der Song ist typischer Balkansülz, nicht besonders schön und nicht besonders originell. Mittelmaß halt. Das Gesamtpaket: Laaaangwaaaaailig. Einzige Ausnahme: Die mehr als seltsame Vorbereitung der Rückung. Obendrein finde ich den Sänger nicht gerade attraktiv, so das man noch nicht mal was zu gucken hat. Kroatien dürfte eins der Länder sein, das den Ausfall des ESc 2020 ganz gut verschmerzen kann. Es ist so unoriginell, das mir nicht mal was Originelles dazu einfällt.

Das wär sein Preis gewesen: Gemütlicher Fernsehabend am Samstagabend.

5/10 (Kinder 4 und 5,5)


Lettland: Samanta Tīna – Still Breathing

Manche Darbietungen kann man nur sehr schlecht beschreiben, man muss sie erleben. Ich versuch es trotzdem. Wir haben: Drei Chorsängerinnen in schwarzen Retro-Badeanzügen, alle haben ein blaues Visier auf und darunter noch eine Maske, soweit ich das erkennen kann. Außerdem haben sie in der Hand eine Flasche mit einer neonpinken Flüssigkeit drin, wahrscheinlich die Droge, die man nehmen muss, um das hier noch zu ertragen. Dazu kommt Samanta, die den gleichen Friseur hat wie Tamara Todevska. Der, äh, Song? Conan Osiris meets Hatari. Dazu folgt Samanta dann der Aufforderung "Wildes Mädchen, schüttel dein Haar für mich" - aber sie schüttelt nicht nur das Haar, sondern auch ihren roten Fransenfummel mit Stofflücken an den falschen Stellen, während die Badeanzüge den Pelvic Thrust aus dem Time Warp in Zeitlupe nachtanzen. Es ist wie ein Auffahrunfall, grauenhaft, aber man kann nicht wegschauen. Immerhin, sie atmet noch, sagt sie zumindest.

Das wär ihr Preis gewesen: Wie gesagt: Conan Osiris meets Hatari. Das ist schon erlesen scheußlich, würde aber Liebhaber finden. Finaleinzug, dort obere rechte Hälfte.

0/10 Kinder: (0 und 2)

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