Freitag, 5. November 2010

ESC-Nachlese, elfte Runde

22. Deutschland
Mal ehrlich, lieber Leser, wann war der Zeitpunkt, als Du einen deutschen Sieg für möglich hieltest? Bei mir kam dieser Zeitpunkt bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, und zwar in dem Moment, als bei der Siegerpressekonferenz des zweiten Semifinals Safura die Startnummer 1 aus dem Lostopf zog. Damit hatten alle, die ansonsten noch für einen Sieg in Frage gekommen wären, entweder bescheidene Startpositionen oder sich durch ihre Semi-Auftritte ohnehin bereits aus dem Favoritenkreis verabschiedet. Lena musste nur noch einen guten Auftritt hinlegen, und weiß Gott - DAS tat sie. Und wie. Sie tat genau das, wofür wir sie nach Oslo geschickt haben: Sie war schlicht und einfach sie selbst. Und das war sie sehr, sehr gut. Vergleicht mal diesen Auftritt mit dem Auftritt bei USFO, da liegen WELTEN dazwischen. Das Lied ist und bleibt Mist, aber das ist in diesem Falle vollkommen egal. Lena hätte Europa auch mit "Hänschen klein" verhext. Dennoch herrschte bei uns völlige Schockstarre, als es dann an die Punkte ging und hohe Wertung um hohe Wertung nach Deutschland geschickt wurde. Aber wie klar zu erkennen war, waren wir damit ja nicht allein, auch Peter Urban war hörbar platt und vor allem Lena selbst schien ja vollkommen unter Schock zu stehen.
Auf jeden Fall hat sie mit so einigen Vorurteilen aufgeräumt: Man braucht keine große Show, es gewinnt nicht immer nur der Osten, und es kann sowohl ein Big4-Land im allgemeinen als auch Deutschland im besonderen gewinnen. Also bitte künftig keine Ausreden mehr, aber da La Pizza ja ihren Status als einzige deutsche Siegerin nun mehr losgeworden ist, werden uns blödsinnige Artikel in der Blöd künftig wohl erspart bleiben. Ach, ist das herrlich! Und ich freu mich RIESIG auf Dusseldorf [sic!]!

ESC-Nachlese, zehnte Runde

19. Rumänien
Der Song ist und bleibt Quark, aber der Auftritt war noch weitaus stärker als im Semi. Die hatten ja unglaublich viel Spaß auf der Bühne und machten das perfekt. Na ja gut, fast - der Chor patzte an der Stelle, wo er alleine singen sollte, und Paulas hohe Note war ein klein bisschen daneben, aber schietegal! Da bleibt wirklich nur das Prädikat super. Platz 3 dennoch überraschend, aber mal ehrlich: Wen hätte man denn da oben sehen wollen?

20. Russland
Ha, endlich sah man mal, was auf diesem Zettel drauf war. Leider verstand man den Text, wo er mit seinem Gitarristen im Wechsel sang / sprach, immer noch nicht, schade, das war ja eigentlich das witzigste am Lied. Ansonsten immer wieder gerne gesehen: Der Moment, als die Windmaschine anging und den guten Peter unversehens entfernte Ähnlichkeit mit seinem Namensvetter P. Volkmann (ja, genau, der Leadsänger von Relax) haben ließ. Das verhinderte die Punkte aus Deutschland dann schon sehr zuverlässig.

21. Armenien
Ach menno, warum haben sie der Guten denn immer noch nix Gescheites angezogen? Geschickt dagegen der Fokus auf ihre Doppelpoller am Anfang, das dürfte für jede Menge Stimmen gesorgt haben. Die europäischen Hetero-Männer sind ja schließlich auch nicht blind, zumal sie im Finale auch deutlich besser sang als im Semi, nur nach der Rückung, da wollte sie einfach zuviel. Aus dem Kreis der Siegesfavoriten hatte sie sich aber da schon längst rauskatapultiert.

23. Portugal
Nach Lenas Auftritt hatte die genauso dröge wie im Semi wirkende Filipa natürlich keine Schnitte. Wenn ich zwei hübsche Mädels habe, von denen eine nicht wirklich singen kann, aber eine Hammerausstrahlung hat, während die andere zwar stimmtechnisch beschlagen ist, aber erstens keine schöne Stimme hat und zweitens ausstrahlungstechnisch eher mit einem Wassereimer vergleichbar ist, für wen ruft man dann wohl an? Genau.

24. Israel
So, nun kann ich verstehen, warum ihn die Jurys im Semi auf Platz 4 gewählt haben. Das war um Lichtjahre besser als der Auftritt, den er uns im Semi zugemutet hat. Zwar waren nach der Rückung nochmal ein paar deutlich schiefe Töne drin, und er fing dann beim zweiten Refrain auch wieder das Gegrinse an, aber alles in allem eine Steigerung um mindestens 350 % gegenüber dem Semi. Die reichte allerdings noch nicht. Irgendwie hat er es nämlich dennoch nicht geschafft, das Leid in dieser Schmerzensballade glaubhaft rüberzubringen. Schade um den wunderschönen Song.

25. Dänemark
Ich liebe Dänemark. Doch, wirklich. Aber es gibt eine Sache an Dänemark, die ich im allgemeinen überhaupt nicht mag, und das sind ihre Eurovisionsbeiträge, und dieser ist keine Ausnahme. Ok, die Chemie stimmte dieses Mal ansatzweise, aber Platz 4? PLATZ 4????? Hatte außer mir noch jemand ein Schockerlebnis, als die 12 rumänischen Punkte am Anfang nicht an Moldawien, sondern an Dänemark gingen? Das da soll besser gewesen sein als Belgien? Schleicht Euch!

ESC-Nachlese, neunte Runde

13. Georgien
Gesanglich fast genauso stark wie im Semi, und es muss schon mal die Frage gestattet sein, wieso die Leute bei den Balladen, wo sie nur dastehen und singen müssen, die Töne nicht treffen, während diese Dame bei einer solchen Choreographie immer noch so gut wie perfekt singt. Allerdings muss ebenfalls erlaubt sein zu fragen, welcher beknackte Choreograph sich DIESE Choreo für eine Ballade ausgedacht hat.

14. Türkei
Kam noch stärker als im Semi, und Platz 2 ist für dieses Lied (neben Satellite wohl das modernste dieses Jahr) und diesen Auftritt wohl mehr als gerechtfertigt. Was mich da total erstaunt hat, war die doch sehr gebremste Reaktion in der Halle. Die Leute sind praktisch gar nicht mitgegangen, und der Applaus am Schluss war auch eher lauwarm. Versteh ich nicht - am Bildschirm kam das supergut!

15. Albanien
Ach je. Der albanische Beitrag wurde von mir ja im Vorfeld als Top5-Kandidat gesehen, aber wie schon im Semi kickte es auch im Finale nicht - dieses Mal konnte ich aber ganz klar sehen warum. Erstens ließ sich Juliana, deren Stimme ich IMMER NOCH NICHT mag, gnadenlos von ihrem Chor gegen die Wand singen. Das war aber nicht das Hauptproblem, sondern: Der ganze Auftritt war schlicht und einfach viel zu statisch. Wenn ich einen Song habe, wo jedem Nicht-Gebrechlichen die Beine durchgehen, muss ich dazu auch ein bisschen zappeln. Aber da passierte leider gar nix auf der Bühne. Übrigens: Find nur ich, dass Juliana Ähnlichkeit mit Madonna hat?

16. Island
Es ist natürlich müßig, sich das zu fragen, aber ich tu's trotzdem: Wie hätte Hera wohl abgeschnitten, wenn sie die 15 gezogen hätte und Juliana die 16? Besser vermutlich als so rum, obwohl der Auftritt im Finale nicht ganz so stark war wie im Semi. Aber nach ihrem Statement nach dem Finale, in dem sie Lena aus vollem Herzen gratulierte, kann man sie ja nun beim besten Willen nicht mehr doof finden, oder?

17. Ukraine
ARGH! ARGH! ARRRRGH! Musste man dieses fürchterliche Gejammere tatsächlich nochmal im Finale ertragen!?! Welcher Idiot hat das zu verantworten? Das kann nur an diesem ziemlich unverhüllenden Kleid gelegen haben, einen anderen Grund kann ich mir da beim besten Willen nicht vorstellen. Und in der Maske ist auch nicht alles glatt gelaufen, nicht wahr? Und inzwischen ist es amtlich, dass Alyosha eine doofe Kuh ist: Nach dem Finale beschwerte sie sich doch allen Ernstes über das Ergebnis, die soll verdammt nochmal froh sein, dass sie überhaupt mitmachen durfte.

18. Frankreich
Heijeijei, wie sind denn diese Street Kids da auf die Eurovisionsbühne geraten? Das war nachgerade fabelhaft, was die da gemacht haben, leider hatte das ganze einen großen Schwachpunkt, und das ist und bleibt der Song. Versteht mich nicht falsch, es ist weiß Gott kein schlechter Song und es gab in diesem Jahr weitaus schlimmeres. Aber irgendwie zündet er nicht so ganz, so dass die drei Minuten dann doch sehr lang werden. Dennoch unterbewertet, und im Gegensatz zum Auftritt von les Bleus in Südafrika müssen sich die Franzosen für diesen Auftritt hier gewiss nicht schämen.

ESC-Nachlese, achte Runde

07. Belgien
Wenn es einen Teilnehmer gab, der nicht nur in, sondern auch durch das Finale getragen wurde, dann war das sicherlich Tom Dice. Im Gegensatz zum Semi war er im Finale völlig entspannt, gestattete sich gar in der Instrumentalpause nach dem ersten Refrain einen kleinen Jörgen-Olsen-Lacher und faszinierte das Publikum in der Halle genauso wie das vor den Bildschirmen, und das, obwohl er doch so ganz allein auf der Bühne stand und so völlig normal rüberkam. Halt der nette Junge von nebenan. Möglicherweise war genau das das Faszinierende. Für mich war es jedenfalls wieder ein Gänsehautmoment, und das gute Abschneiden des belgischen Beitrags war eine der schönsten Überraschungen des diesjährigen Contests.

08. Serbien
Manche Beiträge verlieren in der Wiederholung, dieser hier gewann, fragt mich bitte nicht warum. Milans Frisur bleibt indiskutabel (obwohl er sie sich im Vorfilmchen doch soooo schön gerichtet hat), das Lied bleibt ein Abklatsch von Disco Partizani, aber aus irgendeinem Grund kams im Finale deutlich besser rüber als im Semi.

09. Weißrussland
Ja sage mal, warum war denn der ersten Sänger so aufgeregt? Hatte der einen Anruf von Herrn Lukaschenko bekommen, doch bitte entweder nur MIT dem Pott (bzw. dem Glitzermikro) oder gar nicht mehr nach Hause zu kommen? Ansonsten war der Effekt sattsam bekannt: Ein solches Kitschfest, dazu noch mit bereits gesehenem Gimmick, kann in der Wiederholung nur verlieren, und so wars auch hier. Dazu kam, dass Serbien als unmittelbar davor startendes Land dann doch weitaus erträglicher war als die mazedonische Nuttencombo im Semi.

10. Irland
Oh-oh-oh. Niamh muss ihr Semi-Auftritt ja schwer verunsichert haben, denn sie sang hier mit hörbar angezogener Handbremse - und dennoch leider nicht gut, insbesondere der letzte Refrain mit dem verfluchten letzten Ton kam nicht wirklich gut. Und abgesehen davon: In einem Eurovisionsfinale hat man gefälligst voll aufzudrehen, als frühere Siegerin aber schon dreimal! Und noch zwei Anmerkungen: Beim letzten Refrain hätte ich persönlich die Windmaschine, wenn ich sie schon anmache, ein bisschen mehr pusten lassen - und im Vorspann hätte ich genau wie im Semi gezeigt, dass Niamh auf einem Podest steht. Wenn man das nicht weiß, dass sie auf einem Podest steht, wirken ihre Proportionen nämlich ziemlich merkwürdig. So gesehen leider eine verdiente Platzierung, auch wenn es um den Song und die an sich tolle Sängerin echt schade ist. Toll übrigens auch deshalb, weil sie sich hinterher als gute Verliererin zeigte, was mehr ist, als man von so manch anderem sagen kann.

11. Griechenland
Tja, das kam nach Irland richtig, richtig gut, auch wenn ich den Song leidenschaftlich hasse. Und die Pyros aus den Trommeln waren natürlich sagenhaft. War für mich dennoch nie ein Siegeskandidat, denn dazu ist es doch zu sehr "My number one" reloaded. Aber was weiß ich schon?

12. Großbritannien
In allen Umfragen vorher DER Top-Favorit auf den letzten Platz, und wenn man den Auftritt gesehen hat, dann weiß man auch warum. Josh sah aus, als wäre er immer noch in der ersten Runde vom Casting, jeder Eimer Wasser hätte sich besser bewegt und mehr Bühnenpräsenz gehabt. Die Idee mit den beleuchteten Schränkchen ist geklaut, und bei Ani Lorak kam das viel, viel besser. Josh war zu leise, so kam der nervige Chor noch viel besser raus. Und schlussendlich. Der Song ist und bleibt gequirlte Sch.... äh, also der Song iste nitte gutt. Ich weiß, dass ich den Witz schon siebenundelfzig mal gemacht hab, aber dann ist es eben jetzt das achtundelfzigste Mal: That sounds SO NOT good to me!

ESC-Nachlese, siebte Runde

Schaun wir nun auch noch aufs Finale:

01. Aserbaidschan
Ich schreib das ja weiß Gott nicht gerne, aber das war tatsächlich der stärkste Opener seit "Neka mi ne svane". Ja, Safura bleibt unsympathisch, das ist alles sehr gewollt, aber das Lied bleibt auch gut, und ihre Performance war weitaus besser als im Semi. Diesmal nahm man ihr ihren Herzschmerz tatsächlich ab, auch konnte man endlich mal die Leuchten im Kleid richtig gut sehen. Wie heißt es so schön: Leider gut. Daran änderte auch das Gestaksrenne (wie bitte soll man das sonst bezeichnen) über den kleinen Catwalk nix. Ich würde ja jetzt gerne noch eine Runde Hasstiraden gegen Aserbaidschan im allgemeinen und Frollein Alizade im besonderen schreiben, aber was Recht ist, muss Recht bleiben: Es gab in diesem Jahr Beiträge in der Top 5, die dort weniger zu suchen hatten als die Azeris (allerdings gabs auch welche, die dort DEUTLICH mehr zu suchen hatten!!!). Trotzdem bin ich natürlich gottfroh, dass sie nicht gewonnen haben.

02. Spanien
Wenn mir dieses ARSCHLOCH (pardon my french) Jimmy Jump mal irgendwann über den Weg laufen sollte, dann werde ich ihm wohl jedes Haar einzeln ausreißen. Schön langsam und genüsslich. Bis zu dem Zeitpunkt, wo der auf die Bühne kam, war das ein nahezu perfekter Auftritt (ok, bis auf den ersten Ton), Daniel strahlte und wirkte so, als hätte er noch nie in seinem Leben so viel Spaß gehabt. Und ehrlich: Wenn man seinen Blick gesehen hat, als Jump da plötzlich mittanzte, kann man nur in tiefer Bewunderung den Hut dafür ziehen, dass er seinen Auftritt so zuende gebracht hat, aber das Strahlen in den Augen war weg, und den letzten Ton hat er leider auch versemmelt. Unendlich schade um meinen Lieblingsbeitrag dieses Jahr, von dem ich im Vorfeld sagte, dass ich ihn gerne zweimal hören wollte - aber doch nicht so!!! Zumal auch hier wieder galt: You never get a second chance to make a first impression. Daniel war beim zweiten Mal deutlich nervöser als beim ersten Mal, und im zweiten Refrain blickte er auch mal kurz nach rechts, als ob er sichergehen wollte, dass da auch wirklich niemand mehr auf die Bühne kommt.

03. Norwegen
Oh mein Gott, was ein Kitschfest. Vorhänge, runde Lämpchen und dann dieser Song. Ich kann ja grundsätzlich mit norwegischen Heimbeiträgen nix anfangen, das galt für Ketil den schrecklichen genauso wie für Bettan und jetzt Didrik. Im Vorfeld sah ich den als Siegesaspiranten, aber der Auftritt war leider (oder in diesem Falle: Glücklicherweise) suboptimal. Das Publikum sah das wohl übrigens auch so, ich hab schon Hallen bei Heimbeiträgen deutlich mehr austicken hören (Finnland! Griechenland! Lettland! Estland! Türkei!). Und man sage mir jetzt nicht, dass das was mit unterschiedlichem Temperament zu tun hat, der Applaus war vorher für meinen Geschmack lauter als hinterher. Man merkte dem Guten den Druck doch deutlich an, man denke da nur an die schauerliche letzte Note. Immerhin: Es war was fürs Auge, und das ist ja mehr, als man von anderen Beiträgen sagen kann.

04. Moldawien
Das unterschied sich jetzt nicht großartig vom Semi, Liedle soweit ok, stimmlich nicht ganz so präsent und auch mit ein paar schiefen Tönen, die Optik nach wie vor zum Weglaufen. Wo zum Henker bekommt man türkisfarbene Glitzerstrapse??? Tja, wie man sieht, sind dafür schwache Semis da: Damit die, die noch gerade so durchkommen, die hinteren Ränge auffüllen. Hat ja auch geklappt.

05. Zypern
Tja, wie mach ich mir von Anfang an alle Chancen zunichte? Ich schreib mir "I HERZ YOU MUM" auf den Schmerbauch und lupfe vorm Auftritt nochmal schnell mein Oberteil. Falls irgendeine Dame noch dachte "hach, jetzt kommt ja der Schnuckel aus dem zweiten Semi", bekam sie so signalisiert "Alles Schlampen außer Mutti". Eine Schlampe möchte nun aber niemand sein, deshalb riefen die Damen geschlossen für andere Beiträge an. Fairerweise muss man sagen, dass beim Finalauftritt im Gegensatz zum Semi absolut nichts rüberkam. Jon hätte so entspannt sein können, aber irgendwie wollte er wohl zuviel. Sowas geht nie gut.

06. Bosnien und Herzegowina
Auch hier kaum ein Unterschied zum Semi, Vukasin holte wieder alles raus was ging und schien sich mit der Kamera in einer Art dreiminütiger Kopulation zu befinden. Es war natürlich von Anfang an klar, dass mit diesem Beitrag kein Blumentopf zu holen war, aber dafür haben sie sich ja nun wirklich wacker geschlagen. Was so ein telegener Sänger und ein neues Arrangement doch alles ausmachen können...